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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0038

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34

Kapitel 1

zeichnete noMis eine Vorrangstellung nach sich wandelnden Kriterien ohne präzi-
se rechtliche Bedeutung. Als rechtliche Klasse habe sich der Adel etwa seit der
Mitte des 12. Jahrhunderts formiert. Ausdruck dafür sei das Recht auf den Ritter-
schlag gewesen, das zwischen 1130 und 1250 ein erbliches Vorrecht wurde. Damit
habe sich eine militärische Elite in eine erbliche Kaste umgewandelt. Der rechtliche
Abschluß sei vollzogen worden, als sich die Adligen durch Beschränkungen des
Zutritts zum Rittertum von neu aufsteigenden Schichten, insbesondere dem Bür-
gertum, abgrenzten, da sie sich in ihrer sozial exklusiven Stellung bedroht sahen"!.
Bloch entwarf demnach das Bild einer Gesellschaft, in der Verdienste und per-
sönliche Tüchtigkeit zu Macht und Besitz führten. Gerade in der westeuropäischen
Forschung ist an dieser Sicht lange festgehalten worden"L Noch Jean Dhondt
sprach für die Karolingerzeit einfach von den Reichen als Gruppe innerhalb der
Freien"3, und Donald Bullough hat 1970 bemerkt, daß der überwiegende Teil der
nicht-deutschen Forschung daran festhalten wollte, daß man keineswegs von ei-
nem Geburtsadel sprechen könne: Die „Carolingian magnate-class was still fluid
and relatively easy to enter through royal favour""L ^ dieser Perspektive erschien
Rechtsetzung in erster Linie als ein Mittel, Entwicklungen zugunsten der Men-
schen an der Spitze der sozialen Hierarchie einzufrieren"k

1.2.2. Die Adelsherrschaffstheorie
Waren die älteren Modifikationsversuche der Gemeinfreienlehre noch auf nahezu
allgemeine Ablehnung oder schlicht auf Nichtbeachtung gestoßen - Wittich und
Heck fanden wenig Anhänger, Seeliger avancierte zu einer der beliebtesten Ziel-
scheiben der Kritik durch Georg von Below, Paul Sander fand nicht die nötige
Beachtung"^ und der Prager Privatdozent Rudolf Koss, der schon 1919 die Ansicht
formuliert hatte, daß „die nobilitas ... an bestimmten Familien (haftete), und nur
diejenigen Familien ... ihrer teilhaftig (wurden), welche durch Geburt einer solchen
Familie zugehörten'"", blieb völlig ohne Resonanz -, so sollte sich dies in den
folgenden Jahrzehnten in der deutschen Forschung grundsätzlich ändern. Drei
Klassiker und „Vorläufer" der modernen Adelsforschung veröffentlichten ihre
auch heute noch lebhaft zitierten Arbeiten.

111 Vgl. BLOCH, Feudalgesellschaft, S. 385-393.
112 Vgl. etwa GANSHOF, in: VAN HOUTTE, Handbuch S. 153.
113 Vgl. DHONDT, Das frühe Mittelalter, S. 36; vgl. ähnlich CONTAMINE, Guerre, S. 93.
114 Vgl. BULLOUGH, Europae Pater, S. 75.
115 Vgl. dazu etwa GENICOT, Recherches, S. 52.
116 Zu den Hintergründen vgl. etwa OESTREICH, Otto Hintzes Stellung, S. 39*f.
117 KOSS, Wesen S. 5.
 
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