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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0274

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270

Kapitel 5

renA Damit kompatibel ist die Einschätzung von Knut Görich über die Motive
königlicher Politik unter Friedrich Barbarossa: Ehre sei der Schlüsselbegriff für das
Handeln des Königs gewesen^.
Wichtig werden in diesem Modell jedenfalls Forschungen zur Umgebung des
Königs und zum königlichen Hof, die zumeist anhand der Analyse von Urkun-
denzeugen und Intervenienten bei Rechtsgeschäften vorgenommen werden, Auf-
schlüsse über königsnahe Personengruppen erlauben und bisweilen sogar sozial-
geschichtliche Entwicklungen erkennen lassen^. Insbesondere die Unterscheidung
zwischen „königsnahen" und „königsfernen" Adelsgruppen erlaubt einen Ein-
blick in die politischen Probleme der Zeit.
Es liegt auf der Hand, daß eine solche Einschätzung mit Dungerns These von
der Staatsreform der Staufer nicht zu vereinbaren ist; Karl Leyser hat sie demge-
mäß auch explizit abgelehnt. Die Frage, ob die Staufer überhaupt einen „Staat"
hätten schaffen wollen, sei zu verneinen^.
Damit stellt sich das Problem, ob lediglich auch die Verhältnisse der Stauferzeit
mit Hilfe des neueren Ansatzes adäquat beschrieben werden können oder ob hier
nicht tatsächlich eine Perspektive vorliegt, die - mit Modifikationen - für andere
Zeiträume verwendet werden kann. Gerade die Bedeutung von Rangordnungen
und deren Auswirkungen auf politisches Handeln sind inzwischen, etwa von
Karl-Heinz Spieß, auch für die spätmittelalterlichen Verhältnisse hervorgehoben
worden^.

5.4. Die Rolle der Reichskirche
Die Einschätzung der Rolle der Reichskirche unterlag ebenfalls einem bemer-
kenswerten Wandel. Einer älteren Forschergeneration erschien die ottonisch-
salische Reichskirche als Ergebnis planvollen Handelns einer Reihe von Herr-
schern, an deren Beginn Otto I. stand, nachdem schon Heinrich I. 937 die königli-
che Kirchenhoheit durchgesetzt hatte. Insbesondere Leopold Santifaller hat in
einer klassischen Darstellung den Begriff vom „Reichskirchensystem" populär

91 H. KELLER, Begrenzung, S. 89.
92 Vgl. GÖRICH, Ehre.
93 Vgl. PETKE, Kanzlei (zu Lothar III.); SELTMANN, Heinrich VI.; GAWLIK; Intervenienten Heinrichs IV.;
PATZE, Barbarossa; PLASSMANN, Barbarossa; HILLEN, Curia Regis (zu Heinrich [VII.]); SCHÜTTE, Phi-
lipp von Schwaben; für das Spätmittelalter v.a. HEtNlG, Friedrich III. Dieselbe Fragestellung ist auch
für die Analyse fürstlicher Höfe zu verwenden. Vgl. etwa K.-H. SPIESS, Königshof (Mainz); NOFLAT-
SCHER, Eliten (Habsburger).
94 Vgl. LEYSER, Frederick Barbarossa; ebenso T. REUTER, Sonderweg, S. 199f.; VOLLRATH, Ordnungsvor-
stellungen.
95 Vgl. K.-H. SPIESS, Rangdenken; zum Problem vgl. auch DERS., Kommunikationsformen.
 
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