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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0426

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422

Kapitel 10

verbunden habe. Die von Duby für das Mäconais beschriebenen Verhältnisse wa-
ren in dieser Perspektive ein Sonderfall, und die Ansicht, wonach der Begriff mz'ies
die Bezeichnung noMis abgelöst habe, bezeichnete Flori als nicht generell haltbar.
Das Synonym für noMz's sei üücr gewesen.
Man mag dies als herrschende Lehre betrachten^, unumstritten ist diese Sicht-
weise keineswegs. Zum einen hat das Modell von Bloch überraschenderweise
wieder Anhänger gefunden. Giovanni Tabacco wies insbesondere auf die Miß-
verständnisse bei terminologischen Fragen hin und betonte wie Bloch die Bedeu-
tung des Einschnitts im 11. und 12. Jahrhundert: Tatsächlich sei der Adel erst jetzt
ein Rechtsstand geworden. Die fnazoms seien zunächst keine abgeschlossene
Schicht gewesen und auch nicht das Produkt freier Auswahl einer despotischen
Königsmacht. Der Besitz habe eine zentrale Rolle gespielt^.
Alessandro Barbero, der aus marxistischer Perspektive argumentierte, hielt für
die französischen Verhältnisse an einem Zwei-Klassen-Modell fest: Die Binnendif-
ferenzierung der herrschenden Klasse zwischen zrzzlz'fgs und zzoMes sei weniger
wichtig gewesen, zumal auch die meisten mz'üfcs nicht niederer Abstammung ge-
wesen seien. Bis zum 13. Jahrhundert habe es nur eine Aristokratie gegeben; das
Wort zzcMz's habe vom 10. bis zum 12. Jahrhundert eine besondere Wertschätzung
ausgedrückt und sei Indikator für eine gehobene soziale oder moralische Position,
die Ansehen, Macht, Autorität, Reichtum und Herkunft umfaßte, jedoch keine
rechtliche Kategorie. Die „Großen" hätten die Lebensweise der zzzz'ü'fgs übernom-
men. Gerade die Abstammungsfrage war für Barbero zentral, die juristische Defi-
nition sei demgegenüber weniger wichtig. Daraus zog er den Schluß, das eben
deshalb in Frankreich keine große Kluft zwischen hohem Adel und Rittern festzu-
stellen seP°.
Diese Sicht ist von GenicoM, Evergates^ und auch von Jean Flori zurückgewie-
sen worden, wenngleich zumindest Flori das Zugeständnis machte, daß die soziale
Herkunft der mz'üUs tatsächlich nicht genau zu erkennen seiA
Ein alternatives Modell hat Dominique Barthelemy auf der Basis einer umfas-
senden Untersuchung über die Grafschaft von Vendöme entworfen^. Barthelemy
grenzte sich explizit von Bloch, vor allem aber von Dubys Beschreibung der Ver-

18 Vgl. in jüngster Zeit auch BOUCHARD, Economy, S. 77-87.
19 Vgl. TABACCO, Nobilitä, bes. S. 233.
20 Vgl. BARBERO, L'Aristocrazia, bes. S. 48-56, 313-316; DERS., Noblesse. Zum Problem der „Rückkehr
zu Marc Bloch" vgl. BlSSON, Nobilty.
21 Vgl. GENICOT, La noblesse medievale (1980), S. 345 Anm. 24; DERS., La noblesse medievale (1993), S.
187.
22 Vgl. EVERGATES, Nobles, bes. S. 34f.
23 Vgl. FLORI, Chevalerie, noblesse, S. 262. Auch LE JAN, Continuity, nahm in jüngster Zeit an, daß die
miü'fes, „even if they were noble", nicht durch Geburt oder Zugehörigkeit zu einer „noble family"
definiert worden seien. Sie seien durch ihre „military profession" bestimmt worden, und dies habe
ihnen die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg eröffnet (S. 67).
24 Vgl. BARTHELEMY, Societe.
 
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