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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0166

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162

Kapitel 2

Angeknüpft wurde dabei an die Lehre vom germanischen Königsheil. Für die
Frühzeit wurde von einem germanischen Sakralkönigtum ausgegangen, dem
charismatische Kräfte zugeschrieben worden sein sollen, mit deren Hilfe nicht nur
Kriegsglück, sondern sogar die Natur beeinflußt werden konnte. Schon Gronbech
hat in seiner klassischen Arbeit über Kultur und Religion der Germanen dem Kö-
nigsheil große Aufmerksamkeit geschenkt^ und insbesondere Otto Hofier hat
diese Sicht übernommen und erweitert^. Herbert Meyer hat 1938 in seiner Ab-
handlung über das Wesen des „Führertums" in der germanischen Verfassungsge-
schichte dem Königsheil eine überragende Bedeutung für die „Berufung des ger-
manischen Führers" zuerkannt und die Vorstellung, Erb- oder Wahlrecht hätten
dabei eine Rolle gespielt, abgelehnHA Daß diese Thesen auf der Prämisse beruhen,
germanische Vorstellungen hätten das fränkische Königtum in einer geradezu
überwältigenden Weise geprägt, versteht sich von selbstW In den vierziger und
fünfziger Jahren beschäftigten sich vor allem Fritz Rörig, Heinrich Mitteis, Martin
Lintzel und Walter Schlesinger mit den Auswirkungen geblütsrechtlicher Vorstel-
lungen auf die KönigswahPH im Anschluß an Fritz Kern interpretierte Helmut
Beumann Salbung und Weihe Pippins 751 als Äquivalent für das heidnisch-
germanische Charisma der sü'rps der Merowinger^. Walter Kienast hat noch 1978
vom Fortwirken der Königsheilsvorstellungen bis in die spätmerowingische Zeit
und deren christlicher Überformung gesprochen^; Wallace-Hadrill und Dietmar
Willoweit haben diese Sicht im wesentlichen übernommenW
Dies hatte Folgen für die Adelsforschung. Die Vorstellung von einem uralten,
vom Königsheil nur graduell unterscheidbaren Adelsheil war von geradezu essen-
tieller Bedeutung für die Begründung der Adelsherrschaftstheorie, konnte mit ihr
doch die Vorstellung von der „Wesensgleichheit" adliger und königlicher Herr-
schaft begründet werden. Analog zur Vorstellung vom germanischen Königsheil,
das zur Herrschaft befähigte und berechtigte und in fränkischer Zeit christlich
umgeformt worden sei, entwarf man Vorstellungen über ein vorchristliches Heil
adliger Sippen, dessen Entwicklung prinzipiell ähnlich verlaufen sei. Von einer
„Geblütsheiligkeit" des Adels aus germanischer Tradition sprach 1938 Hans
Naumann W Große Beachtung fanden die Arbeiten von Karl Hauck, der die adlige
Hausüberlieferung analysierte und versuchte, Kontinuitäten bis in die vorchristli-
367 Vgl. GR0NBECH, Kultur, Bd. 1, S. 135-162.
368 Vgl. HÖFLER, Sakralcharakter. Zu den politischen Implikationen der Lehre vgl. etwa KlENLE, Ge-
meinschaftsformen, S. 287f.
369 Vgl. MEYER, Wesen, S. 25.
370 Vgl. dazu z.B. BOSE, Kontinuität.
371 Vgl. dazu die Beiträge in HLAWITSCHKA, Königswahl. Vgl. auch SCHLESINGER, Herrschaft, 32k;
WENSKUS, Stammesbildung, S. 576; BOSL, Kontinuität.
372 Vgl. KERN, Gottesgnadentum, S. 24f., 77; BEUMANN, Widukind, S. 240; DERS., Legitimierung, S. 155ff.
373 Vgl. KiENAST, Treue.
374 Vgl. WALLACE-HADRILL, Kingship, S. 16-20; WILLOWEIT, Verfassungsgeschichte, S. 21.
375 Vgl. NAUMANN, Seite.
 
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