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Kaufhold, Martin; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter: institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198 - 1400 im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 23: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34739#0142
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138

Kapitel 4

gang gewesen. Aber gleichzeitig war dies auch eine Frist von etwa 30 Jahren
(29 Jahre, 4 Monate). Die ungefähre Orientierung an einer Frist, die im Recht über
eine Tradition verfügte, erhöhte die Aussicht, dass die Maßnahme des Königs
Akzeptanz fand. Wir bewegen uns hier auf unsicherem Gelände, denn es ist nicht
mehr zu überprüfen, inwieweit solche Rechtsfristen im Bewußtsein der betroffe-
nen Fürsten eine Rolle spielten. Es gibt allerdings Flinweise.
Ein etwas unbeholfener Versuch König Wilhelms von Flolland, im Zusam-
menspiel mit dem rheinischen Städtebund 1255 Rechtssicherheit durch die Fest-
schreibung von Rechtszuständen zu gewinnen, liefert einen Hinweis auf solche
Vorstellungen. Denn in einem Umfeld, in dem es um die Rechtmäßigkeit von Zöl-
len und Abgaben ging, durch deren Zunahme entlang des Rheins viele Städte sich
bedrängt sahen, stellte der König fest, dass die Untertanen ihren jeweiligen Herren
nur die Dienste und Abgaben schuldeten, die diese und ihre Vorfahren vor 30, 40
oder 50 Jahren rechtens zu leisten gewohnt waren. ^ Der Beschluß war im Einver-
nehmen mit den Herren und den Städten zustandegekommen (& concordz coziseztsM
H M?M7Ü77Ü uoiMTüafg TtoFzünm gf gcz'a777 czüz'HfMTtz), und er läßt daher auch das Rechts-
verständnis der Kräfte erkennen, auf die der König Rücksicht nehmen mußte. Es
wird deutlich, dass es keine klar definierte Norm gab, aber es ist auch deutlich,
dass die genannten Fristen den Fristen des zitierten römischen Rechts (30 und 40
Jahre) sehr nahe sind. Die Unbestimmtheit des königlichen Appells in der konkre-
ten Festlegung läßt die grundsätzliche Schwäche des Königs erkennen, der in
möglichen Konfliktfällen kaum eine Handhabe hatte, um regelnd einzugreifen,
und sie markiert einen deutlichen Unterschied zum energischen Zugriff Friedrichs
11. oder Edwards I. Aber die Aufzählung der Fristen, die sich diesmal nicht an
einem Stichdatum orientiert, zeigt auch, wie solche Zeiträume bemessen sein muß-
ten, um überhaupt eine gewisse Chance auf eine Durchsetzung zu eröffnen.
Anders als der englische König verfügte der römisch-deutsche König weder
über den Apparat noch über die Machtstellung, den Großen seines Reiches den
Entzug ihrer Güter anzudrohen, weil sie wichtige Rechtsformalitäten mißachteten.
Rudolf von Habsburg setzte sich in einem langjährigen Kampf gegen König Otto-
kar von Böhmen durch, der die Huldigung für seine Reichslehen verweigert hatte.
Er entzog ihm das Reichslehen Österreich und setzte diesen Beschluß in einem
erfolgreichen Kampf mit Ottokar durch. ^ Erfolgreich war der römisch-deutsche

12 MGH Constitutiones, Bd. 2, ed. Weiland, Nr. 375 (S. 477f.): ... Mt zzoFzlcs et dozzzz'zzz tezre z'Mdz'cz'z's
SMz's zMste MttzntMr MC z'MZ*a SMH per ozzzzzz'a oFfz'zzeazzf sz'cMf ddzezzf, a& z'dz's ccz'azzz Izozzzz'zzz'tzMS, zpz; z'zz eorazzz
ZMrz'sdz'ccz'ozzz'&Ms cozzzzzzorazzfar, ea sezvz'cz'a et z'ara recz'pzäzzt et rez^Mz'razzt, z?ae z'psz et progezzz'tores eorzzzzz
azzte trz'gz'zzta pel tyzzadragHta sezz ^Mz'zzpMagz'zzta azzzzos taste Jacere cozzsMeuerazzt...; zum Rheinischen
Städtebund vgl. etwa: E.-M. DlSTLER, Städtebünde im deutschen Spätmittelalter. Eine rechts-
historische Untersuchung zu Begriff, Verfassung und Funktion (Studien zur europäischen
Rechtsgeschichte 207), Frankfurt am Main 2006; KAUFHOLD, Iziterregnum, S. 35-49; Propter
culturam pacis. Der Rheinische Städtebund von 1254/1256. Katalog zur Landesausstellung in
Worms, Koblenz 1986.
13 Vgl. zu dem Vorgehen Rudolfs 1. gegen Ottokar von Böhmen, das auf dem bereits zitierten
Nürnberger Reichstag vom 19. November 1274 in eine entscheidende Phase trat, als Rudolf
den König von Böhmen mit der Unterstützung der Reichsfürsten ultimativ zur Lehnsnahme
 
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