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Kaufhold, Martin; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter: institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198 - 1400 im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 23: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34739#0321
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Kapitel 10
Schluss: Die Dynamik des historischen Wandels

Diese Studie behandelt den historischen Wandel im späten Mittelalter. Zwei Jahr-
hunderte sind eine lange Zeit, deren innerer Zusammenhang nur durch menschli-
che Erinnerung gestiftet werden kann. Neben der Erinnerung wirkten zahlreiche
Faktoren stabilisierend oder verändernd auf die politische Ordnung. Unser
Hauptaugenmerk galt indes der Dynamik der Traditionsbildung, der Frage, ob
sich bei der vergleichenden Untersuchung dreier unterschiedlicher Entwicklungen
mit einem jeweils inneren Zusammenhang und gemeinsamen Bezügen Überein-
stimmungen erkennen ließen - Übereinstimmungen, die es erlaubten, von histori-
schen Rhythmen im späten Mittelalter zu sprechen. Dabei geht es nicht um die
Feststellung fester Muster oder gar um die Formulierung von vermeintlichen Ge-
setzmäßigkeiten des Wandels. Diese Versuche hat die Geschichtswissenschaft mit
guten Gründen hinter sich gelassen. Aber es geht um die Frage, inwieweit der
historische Wandel in drei unterschiedlichen Ländern (wenn wir die Kurie einmal
systematisch als einen monarchischen Hof behandeln), der sich parallel vollzog,
Gemeinsamkeiten zeigte, die sich als Eigenschaften einer historischen Epoche
verstehen lassen. Immerhin bestanden zwischen dem Reich, England und der
Kurie in diesen zwei Jahrhunderten vielfältige Bindungen und Beziehungen. Und
die ausgewählten Problemfelder - deutsche Königswahl und Formierung des Kur-
fürstenkollegs, die Ausbildung der englischen Regierungsform durch König, Bera-
ter und Parlament sowie die spezifischen Bedingungen der zentralen Kirchenlei-
tung durch Papst und Kardinäle - wiesen in vielfältiger Hinsicht über die jeweili-
gen Reiche hinaus.
Es geht um die Dynamik der Entwicklung zwischen 1198 und 1411 - das be-
deutet, um die Momente, in denen die institutionelle Ordnung im Reich, in Eng-
land und an der Kurie eine Krise durchlebte und eine präzisere Festlegung erfuhr.
Eine grundsätzlich neue Richtung leiteten die untersuchten Prozesse nicht ein.
Aber sie führten die widerstreitenden Positionen der Akteure, die im Reich, in
England und an der Kurie das Geschehen bestimmten, zu einer belastungsfähigen
politischen Ordnung zusammen. Das bedeutete nicht, dass Konflikte dadurch
vermieden werden konnten. Die Absetzung aller drei monarchischen Häupter am
Ende des hier untersuchten Zeitraumes zeigte vielmehr die weiterhin bestehenden
enormen Spannungen. Aber die Grundlage, auf der diese Krisen bewältigt wur-
den, war erkennbar breiter geworden, und sie zeigte auch bei den rivalisierenden
Konfliktparteien so viel erkennbare Gemeinsamkeiten, dass wir von einem Verfas-
sungskonsens sprechen können, einer Übereinstimmung in den wesentlichen Ele-
menten des politischen Prozesses. Die konkreten Verläufe solcher politischen Ent-
scheidungsprozesse konnten in den hier verglichenen Reichen sehr unterschied-
 
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