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Kaufhold, Martin; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter: institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198 - 1400 im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 23: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34739#0320
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312

Kapitel 9

Der Vorgang war durchaus ähnlich. Hier wurde über das päpstliche Amt
nachgedacht. Und zwar nicht in der affirmativen Weise, die man während der
zurückliegenden 200 Jahre entwickelt hatte, und auch nicht von irgendeinem
scharfen Gegner des Papstes, die es auch immer gegeben hatte, sondern an der
Kurie, und es waren Überlegungen zur Funktion des Amtes. Der Gedanke, was
sein würde, wenn das Amt diese Funktion nicht mehr erfüllte, wurde noch nicht
ausgesprochen, aber er erschien am Horizont. Nicht die Formulierung als solche
ist das eigentlich Spannende, sondern die Umstände, die diese Formulierung her-
vorgebracht hatten. Hier kündigte sich eine Differenzierung der Deutungshoheit
an. Das Haupt sah sich in Frage gestellt. Seine Geschichte endete damit nicht, und
das Papsttum blieb dort, wo es nicht in Frage gestellt wurde, eine unumstrittene
monarchische Spitze, aber es eröffneten sich Spielräume für alternative Entwick-
lungen. Dies war das Entscheidende, und es kündigte sich hier an. Nicht alle Paral-
lelen sind sinnvoll, und man mag in manchen Fällen fragen, inwieweit es sich
überhaupt um Parallelen handelt. Aber in dieser Untersuchung geht es um den
historischen Wandel und um seinen Rhythmus. Insofern ist es einen Hinweis wert,
dass das Kaisertum 100 Jahre nach dem Beginn dieser grundsätzlichen Überle-
gungen zu seiner Aufgabe in den Zugeständnissen Albrechts von Habsburg an
Bonifaz VIII. im Jahre 1303 sein Selbstverständnis gegenüber dem Papsttum erheb-
lich zurücknahm. Anders war die Kaiserkrone nicht mehr zu erlangen (auch
wenn Albrecht sie infolge der Umstände gar nicht erlangte). Das Papsttum sah sich
gut 100 Jahre nach dem Konzil von Pisa mit der Reformation einem ebenfalls er-
heblichen Bedeutungsverlust gegenüber. Mit diesem Ausblick auf das Ende des
Mittelalters kommt die Bestandsaufnahme des institutioneilen Wandels seit dem
späten 12. Jahrhundert an ihr Ende, und es gilt abschließend einen Blick auf den
Charakter dieses Wandels zu werfen.

160 Vgl. die Konsistorialrede Bonifaz VIII. anläßlich der Verhandlungen mit den Gesandten
Albrechts über die Vergabe des Kaisertitels an den Habsburger (MGH Constitutiones,
Bd. 4,1, ed. Schwalm, Nr. 173 (I) und die Anerkennung der päpstlichen Ansprüche durch
Albrecht (ebda, Nr. 181: Uro ecM7M, facü's sacrosancü's eroangeü'is, 7?Mod ero Ji'deü's et odediens Nato
Petro et ooNs oesfris^ne SMCcessord?MS carzonice üüranüdMs sancfe^ae aposioüce Romane ecciesie).
 
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