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Kaufhold, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter: institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198 - 1400 im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 23: Ostfildern, 2008

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34739#0189
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Kapitel 6
Traditionsbildung im Zeichen wachsender Verschriftlichung

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde das Bild vielschichtiger. Die Konflikttradi-
tionen bestanden fort. In England trafen Könige, die bei der Auswahl ihrer Berater
keine Beschränkungen akzeptieren wollten, auf Untertanen, die darin die Zeichen
willkürlicher Herrschaft erkannten; in Deutschland kam es weiterhin zu Doppel-
wahlen, aber die Antagonisten begannen, sich in der Berufung auf legitimierende
Traditionen erkennbarer voneinander abzugrenzen. Dabei ging es nicht nur um
die Inhalte der jeweiligen Traditionen, sondern auch um ihre Bewahrung. Wir
treffen in England 1311 erstmals auf einen ausdrücklichen Konflikt zwischen einer
königlich-schriftlichen und einer aristokratisch-mündlichen Tradition. Die Positio-
nen wurden von den Zeitgenossen selber formuliert. Doch ist das Bild nur auf den
ersten Blick klar.
Die Formierung politischer Traditionen in England schritt unter König Ed-
ward II. (1307-1327) erkennbar voran.' Edward stieß schon bald nach dem Beginn
seiner Herrschaft auf Widerstände, und im Jahre 1311 mußte er sich schließlich auf
ein Reformprogramm (New Onünances) verpflichtend Es war von einer Kommis-
sion aus 21 Ordamers ausgearbeitet worden, die in der Tradition vergleichbarer
Texte des 13. Jahrhunderts ein umfassendes Dokument erstellten, das in 41 Kapi-

Zu der konfliktreichen politischen Entwicklung in der Zeit Edwards 11. vgl. das folgende
Kapitel. Einführend zu Edward II. vgl. die Vita: Vita Edwardi Secundi. The Life of Edward
the Second (Oxford Medieval Texts), hg. von W. Childs/N. Denholm-Young, Oxford 2005;
Chronicles of the Reigns of Edward I. and Edward II., 2 Bde. (RS 76), hg. von W. Stubbs,
London 1882-83; Calendar of the Charter Rolls preserved in the Public Record Office, Bd. 3:
Edward I., Edward H. (1300-1326), London 1908; Calendar of the Close Rolls preserved in the
Public Record Office: Edward II., 4 Bde, London 1892-1898; vgl. auch: R. M. HAINES, King
Edward II: Edward of Caernarfon, his Life, his Reign, and its Aftermath. 1284-1330, Mont-
real/London 2003; M. ORMROD, England: Edward 11 and Edward III, in: The New Cambridge
Medieval History, Bd. 6, hg. von Jones, S. 273-296; M. PRESTWICH, The Three Edwards. War
and State in England; 1272-1377, London 1980; DERS., Plantagenet England, S. 178-220;
M. BUCK, Politics, Finance and the Church in the Reign of Edward II. Walter Stapeldon
Treasurer of England (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, 3. Ser. 19), Cam-
bridge u. a. 1983; C. BlNGHAM, The Life and Times of Edward II, London 1973; Th. F. TOUT,
The Place of the Reign of Edward II in English History, 2. Aufl. Manchester 1936.
Select Documents, ed. Chrimes/Brown, S. 11-17; vgl. auch M. PRESTWICH, A New Version of
the Ordinances of 1311, in: Bulletin of the Institute of Historical Research 57 (1984), S. 189-
202.
 
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