46
Früh- und Hochmittelalter
wirklicht wurden,... im Grunde in dieser Zeit bereits angelegt« seiend Wandelbar war
jedoch das Verhältnis dieser beiden Elemente: »Fremd war also das Wahlprinzip der
Karolingerzeit nicht, aber es war auf bestimmte Fälle beschränkt«, zumal statt der Indi-
vidualsukzession die Reichsteilung unter den Söhnen die Regel bliebA Die wie auch
immer geartete Wahl blieb nämlich lange Zeit auf die Mitglieder der königlichen Sippe
beschränkt, wie Erzbischof Fulco von Reims gegen Ende des 9. Jahrhunderts den mos
FntncorMm formulierte: Mi, rege decedenfe, aü'Mm de regia shrpe uci SMceessioMe ... ehgerenf.^
Schlesinger erkannte ebenfalls, dass stets auch die konkreten Umstände des Herrscher-
wechsels zu beachten sind: »Der Thronwechsel ist immer eine Machtfrage und eine
Rechtsfrage zugleich.«^ Die Königswahl ist damit stets in die größere politische Ent-
wicklung eingebunden, mit der sie in einem reziproken Verhältnis stehtV Dies gilt es
bei der Herausarbeitung eventueller Entwicklungslinien stets zu beachten, wobei die-
sem Vorhaben eine Vielzahl von Hindernissen im Wege steht, auf die Ulrich Reuling
hingewiesen hat/'" Zu der zumeist recht schmalen Quellenbasis und der Mehrdeutig-
keit der Quellen kommen damit der allgemeinere politische Wandel - auch im Hinblick
auf die Wählerschaft (Große, >Stämme<, Reichsfürsten) - sowie die jeweiligen Macht-
positionen der Thronanwärter und ihrer Anhänger hinzu.
Gerade im Hinblick auf die schwankende Terminologie der Quellen gilt es zu beto-
nen, dass häufig ganz verschiedenartige Akte als Wahl (cü'gcrc, dcrh'o) bezeichnet wer-
den, von der Auswahl des Kandidaten über die Stimmabgabe und Kur bis zur Akkla-
mation (Vollbort) und Huldigung?" Ob dabei immer scharf zwischen den einzelnen
Handlungen getrennt werden kann oder sollte?' ist zu bezweifeln. Der Sprachgebrauch
der Quellen deutet vielmehr gerade auf eine »Kettenhandlung«, eine »fortgesetzte
Wahl« hin, ein Vorgang der durch diese von Heinrich Mitteis eingeführte Bezeichnung
durchaus treffend umschrieben wird A Insbesondere sind hier die Umritte zu nennen.
14 ScHLEStNGER, Karolingische Königswahlen, S. 190f. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass
Schlesinger an anderer Stelle ein ansonsten durchaus interessantes Zitat falsch wiedergibt: In
einem Brief von Hinkmar von Reims an den westfränkischen König Ludwig III. heißt es im zi-
tierten Druck von Migne (PL 126, Sp. 119) nicht poid/pces reges ordinäre possurd, reges arden: ponfifi-
ces consecrare non possMMf, sondern lediglich of ponfip'cos reges consecrare non possMid.
15 ScHLEStNGER, Anfänge der deutschen Königswahl, S. 387 (Zitat) und 412.
16 Flodoard von Reims, Historia Remensis ecclesiae, 1. IV, c. 5, S. 381; dazu SCHLESINGER, Anfänge
der deutschen Königswahl, S. 423.
17 ScHLEStNGER, Anfänge der deutschen Königswahl, S. 382. So auch zuletzt RoGGE, Die deutschen
Könige im Mittelalter, S. 1: »Bei jeder einzelnen Thronerhebung waren die aktuellen politischen
Konstellationen, die Kräfteverhältnisse und der Ehrgeiz der Akteure für den Ausgang einer
Thronvakanz ausschlaggebend.«
18 Vgl. ScHLEStNGER, Anfänge der deutschen Königswahl, S. 382, 422 und 437 sowie Mniuis, Die
deutsche Königswahl, S. 16f.
19 Vgl. REunNG, Entwicklung der Wahlformen, S. 231f., zuvor auch REunNG, Kur in Deutschland
und Frankreich, S. llf.
20 Vgl. hierzu REunNG, Entwicklung der Wahlformen, S. 231f. sowie S. 239 mit Anm. 61.
21 So ebd., S. 240 zum Umritt Konrads II. 1024: »Es scheint mir fragwürdig, diesen Anerkennungs-
handlungen noch einen Wahlcharakter im Sinne der sogenannten fortgesetzten Wahl zuzu-
messen.« Siehe auch S. 254 zur Wahl Friedrichs 1.1152 mit der Differenzierung zwischen »Kur«
der Großen und »Vollbort des Volkes«: Nur die Stimmabgabe sei als »Konstitutivakt« anzuse-
hen, während »der kollektive Akt der Vollbort« zwar »rechtsnotwendig« gewesen sei, jedoch
nur »den Charakter einer Zustimmungshandlung« gehabt habe.
22 MiTTEis, Die deutsche Königswahl, S. 52 und 55 (vgl. oben, Kapitel 2.1, S. 6). Siehe hierzu auch
SCHNEIDER, Wechselwirkungen von kanonischer und weltlicher Wahl, der in diesem Sinne eine
Früh- und Hochmittelalter
wirklicht wurden,... im Grunde in dieser Zeit bereits angelegt« seiend Wandelbar war
jedoch das Verhältnis dieser beiden Elemente: »Fremd war also das Wahlprinzip der
Karolingerzeit nicht, aber es war auf bestimmte Fälle beschränkt«, zumal statt der Indi-
vidualsukzession die Reichsteilung unter den Söhnen die Regel bliebA Die wie auch
immer geartete Wahl blieb nämlich lange Zeit auf die Mitglieder der königlichen Sippe
beschränkt, wie Erzbischof Fulco von Reims gegen Ende des 9. Jahrhunderts den mos
FntncorMm formulierte: Mi, rege decedenfe, aü'Mm de regia shrpe uci SMceessioMe ... ehgerenf.^
Schlesinger erkannte ebenfalls, dass stets auch die konkreten Umstände des Herrscher-
wechsels zu beachten sind: »Der Thronwechsel ist immer eine Machtfrage und eine
Rechtsfrage zugleich.«^ Die Königswahl ist damit stets in die größere politische Ent-
wicklung eingebunden, mit der sie in einem reziproken Verhältnis stehtV Dies gilt es
bei der Herausarbeitung eventueller Entwicklungslinien stets zu beachten, wobei die-
sem Vorhaben eine Vielzahl von Hindernissen im Wege steht, auf die Ulrich Reuling
hingewiesen hat/'" Zu der zumeist recht schmalen Quellenbasis und der Mehrdeutig-
keit der Quellen kommen damit der allgemeinere politische Wandel - auch im Hinblick
auf die Wählerschaft (Große, >Stämme<, Reichsfürsten) - sowie die jeweiligen Macht-
positionen der Thronanwärter und ihrer Anhänger hinzu.
Gerade im Hinblick auf die schwankende Terminologie der Quellen gilt es zu beto-
nen, dass häufig ganz verschiedenartige Akte als Wahl (cü'gcrc, dcrh'o) bezeichnet wer-
den, von der Auswahl des Kandidaten über die Stimmabgabe und Kur bis zur Akkla-
mation (Vollbort) und Huldigung?" Ob dabei immer scharf zwischen den einzelnen
Handlungen getrennt werden kann oder sollte?' ist zu bezweifeln. Der Sprachgebrauch
der Quellen deutet vielmehr gerade auf eine »Kettenhandlung«, eine »fortgesetzte
Wahl« hin, ein Vorgang der durch diese von Heinrich Mitteis eingeführte Bezeichnung
durchaus treffend umschrieben wird A Insbesondere sind hier die Umritte zu nennen.
14 ScHLEStNGER, Karolingische Königswahlen, S. 190f. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass
Schlesinger an anderer Stelle ein ansonsten durchaus interessantes Zitat falsch wiedergibt: In
einem Brief von Hinkmar von Reims an den westfränkischen König Ludwig III. heißt es im zi-
tierten Druck von Migne (PL 126, Sp. 119) nicht poid/pces reges ordinäre possurd, reges arden: ponfifi-
ces consecrare non possMMf, sondern lediglich of ponfip'cos reges consecrare non possMid.
15 ScHLEStNGER, Anfänge der deutschen Königswahl, S. 387 (Zitat) und 412.
16 Flodoard von Reims, Historia Remensis ecclesiae, 1. IV, c. 5, S. 381; dazu SCHLESINGER, Anfänge
der deutschen Königswahl, S. 423.
17 ScHLEStNGER, Anfänge der deutschen Königswahl, S. 382. So auch zuletzt RoGGE, Die deutschen
Könige im Mittelalter, S. 1: »Bei jeder einzelnen Thronerhebung waren die aktuellen politischen
Konstellationen, die Kräfteverhältnisse und der Ehrgeiz der Akteure für den Ausgang einer
Thronvakanz ausschlaggebend.«
18 Vgl. ScHLEStNGER, Anfänge der deutschen Königswahl, S. 382, 422 und 437 sowie Mniuis, Die
deutsche Königswahl, S. 16f.
19 Vgl. REunNG, Entwicklung der Wahlformen, S. 231f., zuvor auch REunNG, Kur in Deutschland
und Frankreich, S. llf.
20 Vgl. hierzu REunNG, Entwicklung der Wahlformen, S. 231f. sowie S. 239 mit Anm. 61.
21 So ebd., S. 240 zum Umritt Konrads II. 1024: »Es scheint mir fragwürdig, diesen Anerkennungs-
handlungen noch einen Wahlcharakter im Sinne der sogenannten fortgesetzten Wahl zuzu-
messen.« Siehe auch S. 254 zur Wahl Friedrichs 1.1152 mit der Differenzierung zwischen »Kur«
der Großen und »Vollbort des Volkes«: Nur die Stimmabgabe sei als »Konstitutivakt« anzuse-
hen, während »der kollektive Akt der Vollbort« zwar »rechtsnotwendig« gewesen sei, jedoch
nur »den Charakter einer Zustimmungshandlung« gehabt habe.
22 MiTTEis, Die deutsche Königswahl, S. 52 und 55 (vgl. oben, Kapitel 2.1, S. 6). Siehe hierzu auch
SCHNEIDER, Wechselwirkungen von kanonischer und weltlicher Wahl, der in diesem Sinne eine