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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

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Scholz, Sebastian,: Das Papsttum, Roms wirtschaftliche Lage und die Enteignung der päpstlichen Patrimonien in der Mitte des 8. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0025

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Sebastian Scholz

italien sollte man sich fragen, ob die ökonomische Bedrängnis, in der sich das
Papsttum befand, nicht eine Voraussetzung für das Schenkungsversprechen war,
durch das Pippin zu Ostern 754 in Quierzy Papst Stephan II. den Exarchat von Ra-
venna sowie weitere Rechte und Orte zusagte72. Es muss zu denken geben, dass
der Papst bei der ersten Gelegenheit, die ihn vier Jahre nach dem Verlust der Patri-
monien mit dem fränkischen König zusammenführte, auf eine Schenkung drang,
die im Umfang deutlich über die Gebiete hinausging, die dem Papst aus älteren
Schenkungen zustanden. Denn das Exarchat von Ravenna war erst 751 durch den
Langobardenkönig Aistulf den Byzantinern entrissen worden und nie in der Hand
des Papstes gewesen73. Vielmehr hatte der byzantinische Kaiser Papst Stephan II.
aufgefordert, ihm bei der Rückgewinnung des Gebietes zu helfen74. Der Papst
wollte also keine Bestätigung der ihm rechtlich zustehenden Besitzungen, sondern
eine Erweiterung seines Gebiets um die ehemaligen byzantinischen Gebiete in
Mittelitalien. Das versprochene Gebiet des Exarchats von Ravenna wäre vermut-
lich eine ausreichende Kompensation der verlorenen Patrimonien gewesen. Das
von den Byzantinern beschlagnahmte Gebiet im Süden wäre durch ehemaliges by-
zantinisches und nun von den Langobarden besetztes Gebiet in Mittelitalien er-
setzt worden75. Die Übergabe der eingeforderten Gebiete an die Päpste ging aller-
dings nur schleppend voran, da die Langobarden die Übertragung verzögerten
oder bereits abgetretene Gebiete wieder besetzten76. Auch als Karl der Große im
Jahr 774 Pavia erobert und das Langobardenreich zerstört hatte, erhielt Papst
Hadrian I. keineswegs sofort die von ihm beanspruchten Gebiete zurück. So über-
trug Karl die Sabina, die tatsächlich zu den alten päpstlichen Besitzungen gehörte,
Hadrian erst 781, nachdem der Papst entsprechende Beweise für seinen Anspruch
vorgelegt hatte77. Diese unklare Situation, in der vermutlich eine kontinuierliche
Lebensmittelversorgung Roms kaum sicherzustellen war, könnte erklären, warum

72 Liber pontificalis 1 (wie Anm. 21), S. 448; vgl. Jörg Jarnut, Quierzy und Rom. Bemerkungen
zu den „Promissiones Donationis" Pippins und Karls, in: Historische Zeitschrift 220, 1975, S.
265-297, hier S. 277ff.; Max Kerner, Die frühen Karolinger und das Papsttum, in: Zeitschrift
des Aachener Geschichtsvereins 88/89,1981/82, S. 5-41, hier S. 22f. und S. 32-39; zuletzt aus-
führlich Hartmann, Hadrian I. (wie Anm. 7), S. 119-142.
73 Liber pontificalis 1 (wie Anm. 21), S. 441; Pauli continuatio cassinense, cap. 4, hg. von Georg
Waitz, MGH Scriptores rerum Langobardicarum, Hannover 1878, S. 199; vgl. Noble, Republic
(wie Anm. 20), S. 71f.
74 Liber pontificalis 1 (wie Anm. 21), S. 442 und S. 444f.
75 Erich Caspar, Das Papsttum unter fränkischer Herrschaft, Darmstadt 1956, S. 51, sah eine
entsprechende Motivation erst bei Papst Hadrian L, als dieser bei Karl dem Großen auf die Er-
füllung des Schenkungsversprechens drang; dagegen hat François Masai, La politique des
Isauriens et la naissance de l'Europe, in: Byzantion 33,1963, S. 191-221, hier S. 202-206, es für
wahrscheinlich gehalten, dass die Schenkung Pippins in den Augen der Päpste einen Aus-
gleich ihrer Verluste im Süden darstellte, doch ging er nicht auf die oben dargelegten Zusam-
menhänge ein.
76 Dies geht aus den zahlreichen Klagen der Päpste in ihren Briefen an König Pippin hervor, vgl.
Scholz, Politik (wie Anm. 8), S. 69L; vgl. auch Liber pontificalis 1 (wie Anm. 21), S. 488 und
S. 491f., wo von Eroberungszügen des langobardischen Königs Desiderius im Umland von
Rom berichtet wird.
77 Vgl. Hartmann, Hadrian I. (wie Anm. 7), S. 136f.
 
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