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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

DOI Artikel:
Schieffer, Rudolf: Papsttum und neue Königreiche im 11./12. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0080

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Papsttum und neue Königreiche im 11./12. Jahrhundert

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sei40, womit anscheinend Dalmatien gemeint war und woraus selbstverständlich
nicht einmal im Ansatz etwas geworden ist. Sonst aber hatte es Gregor in aller Re-
gel mit königlichen Klienten zu tun, die er sich nicht ausgesucht hatte und deren
kirchlicher Eifer meist zu Bedenken Anlass bot41.
Wenn man Gregors Verhalten zu fernen Königen angemessen verstehen will,
ist weniger an die Sphäre des Lehnrechts oder an Deduktionen aus der Konstanti-
nischen Schenkung42 als an die ältere Tradition des päpstlichen Schutzes auf be-
sonderen Antrag43 und an die innere Logik der Idee des Universalepiskopats zu
denken. In einem Brief an Geza von Ungarn spricht er von der „liebenden Zuwen-
dung, mit der er alle Könige und Bürsten wie Söhne ermahne"44. Das ließ ihn nicht
bloß bereitwillig auf Gesuche von Königen (und solchen, die es werden wollten)
um Schutz und Anerkennung eingehen, sondern auch noch den Kontakt zu Herr-
schern suchen, die sich gar nicht gemeldet hatten. Überliefert ist ein Brief an den
rex Hiberniae, dessen Namen man in Rom als Terdeluachus ermittelt hatte. Offenbar
ohne konkrete Veranlassung schreibt ihm der Papst, dass die Lehre Christi im uni-
versus orbis aufstrahle, dass dem hl. Petrus und seinem Stellvertreter der universus
orbis Gehorsam und Ehrerbietung schulde und dass sich der König daher unver-
züglich an ihn wenden möge, wenn Probleme von Bedeutung in seinem Lande
auftauchen sollten45. Sogar an den islamischen, also heidnischen König Anazir
von Mauretanien wandte er sich inmitten der Aufregungen des Jahres 1076, um
ihm für die Preilassung christlicher Gefangener zu danken und weitere gute Taten
gemäß göttlicher Eingebung nahezulegen46.
Die bei Gregor VII. immer wieder anzutreffende Idealvorstellung von einer
Gemeinschaft gleichrangiger Völker und Könige, die dem Apostolischen Stuhl je
einzeln in Treue ergeben sind und von ihm in ihrem Bestand geschützt werden,
war gegen einen speziellen Vorrang des Saliers Heinrich IV. gerichtet, für den der
Papst die nivellierende Bezeichnung rex Teutonicorum (ohne Bezug auf Kaisertum
und Italien) in Analogie zum rex Francorum, rex Anglorum oder rex Hyspaniae in
Umlauf brachte47. Das verweist auf einen Umstand, der abschließend gebührend
hervorzuheben ist, weil er den Aufstieg des hochmittelalterlichen Papsttums zur
gesuchten und damit maßgeblichen Instanz für die politische Ordnung der latei-

40 Register Gregors VII., Reg. II 51 (wie Anm. 2), S. 194; vgl. Seegrün, Papsttum (wie Anm. 21),
S. 81f.; Vladimir Koscak, Gregorio VII e la Croazia. Presupposti politico-sociali, in: Studi Gre-
goriani 14,1991, S. 253-264, hier S. 260.
41 Vgl. Rudolf Schieffer, Gregor VII. und die Könige Europas, in: Studi Gregoriani 13, 1989,
S. 189-211.
42 So etwa Deér, Papsttum (wie Anm. 6), S. 78-86.
43 Vgl. Fried, Schutz (wie Anm. 11), S. 49-53, zur Abgrenzung vom Lehnrecht.
44 Register Gregors VIE, Reg. II63 (wie Anm. 2), S. 218.
45 JL 5059 (undatiert), in: The Epistolae Vagantes of Pope Gregory VII, hg. von Herbert Edward
John Cowdrey, Oxford 1972, S. 138f., Nr. 57.
46 Register Gregors VIE, Reg. Ill 21 (wie Anm. 2), S. 287f.
47 Vgl. Eckhard Müller-Mertens, Regnum Teutonicum. Aufkommen und Verbreitung der
deutschen Reichs- und Königsauffassung im früheren Mittelalter (Forschungen zur mittel-
alterlichen Geschichte 15), Wien/Köln/Graz 1970, S. 145-181; Thomas, Gregors VII. imperiale
Politik (wie Anm. 26), S. 255-262.
 
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