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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

DOI Artikel:
Lubich, Gerhard: Frauen in den Briefen der frühen Päpste. Bild und Funktion der Frau nach der päpstlichen Epistolographie zwischen Gregor I. und Gregor VII.
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0151

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150

Gerhard Lubich

am meisten betitelten Markgräfinnen von Tuszien140, aber auch bei Adelheid von
Turin141. Allein die Kaiserwitwe Agnes, die Mutter von Gregors Nemesis Hein-
rich IV., wird durchgängig mit lobenden Attributen versehen142, während ihre
Tochter, Königin Judith-Sophie von Ungarn, in dem an sie gerichteten Pasto-
ralschreiben ohne weiteren Titel als ihrer Amtsbezeichnung bleibt143, ebenso die
flandrische Gräfin Judith144. Lediglich fünf Adressatinnen sind im Register Gre-
gors VII. also noch nachzuweisen, und von diesen werden immerhin vier in Brie-
fen an andere Empfänger nochmals erwähnt; andere Damen fanden keine Erwäh-
nung, womit die Zahl der genannten Frauen im Vergleich zu Gregor I. auf einen
Bruchteil zurückgegangen war. Übrig geblieben war damit nur der politisch rele-
vante Rest: Nur noch eigenständig herrschende Frauen, so gut wie ausschließlich
Witwen, kamen in den Genuss eines Papstbriefes - vielleicht in Ermangelung
handlungsfähiger und ansprechbarer Männer. Dementsprechend haben die mei-
sten Briefe politische Informationen oder Anweisungen zum Inhalt; von geistli-
cher Verwandtschaft oder Hinweisen auf die familiären Pflichten sind die Briefe
frei, und die schmeichelnden Anreden halten sich in engen Grenzen - eine gewisse
pragmatische Nüchternheit scheint eingekehrt. Frauen, so müssen wir schließen,
waren fast vollständig aus dem Horizont des Papsttums geraten. Geblieben waren
allein die politischen Zusammenhänge. In der Geschichtsschreibung wurden
diese Kontakte aber sehr wohl reflektiert, insbesondere natürlich bei Mathilde von
Tuszien, doch auch hier entsprach die Auffassung des Historiographen nicht un-
bedingt dem, was aus den Briefen zu ersehen ist: Das Mathilde nachgesagte Ver-
hältnis mit Gregor VII. steht im Gegensatz zur im Regelfall zu attestierenden
Nüchternheit der Briefe, die sich - trotz der Verwendung der seit langem in Übung
befindlichen /z'/z'a-Terminologie - im Vergleich zu den Schreiben seiner Vorgänger
letztlich doch attestieren lässt.

140 Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Edition: Das Register Gregors VII, hg. von Erich
Caspar, MGH Epistolae selectae II, I/II, Berlin 1923. - Gregor an Beatrix: lib I., ep. 4, S. 7 (ohne
Epitheton); über Beatrix: gloriosa lib. I, ep. 21, S. 34f., und ep. 40, S. 62f. - An Beatrix und Mat-
hilde: lib I, ep. 11, S. 17ff. (dilectissimae filiae; carissimae); ep. 50, S. 76f. (gloriosae ac karissimae
filiae), ep. 77, S. 109ff. (nobilitas); lib II, ep. 9, S. 138ff. (ohne Epitheton); lib. III, ep. 5, S. 251f. karis-
simae filiae. - Über beide: filiae nostrae, lib. III, ep. 8, S. 259ff. - An Mathilde: lib. I, ep. 40, S. 62f.
(egregia), und ep. 47, S. 71ff. (dilectissima filia; karissima sancti Petri filia; lib. VI, ep. 22, S. 434f.:
filia. - Über Mathilde: erwähnt als communis filia von Gregor und Beatrix in lib. I ep. 85, S. 121ff.;
als communis nostra filia et beati Petri fideli ancilla in lib. IV, ep. 2, S. 293-297, hier S. 297 (an Her-
mann von Metz); ep. 12, S. 311-314 filia; lib. VI, ep. 12, S. 413ff: serenissima filia nostra; ep. 18,
S. 429f. ohne Epitheton.; lib. IX, ep. 3, S. 573-577 filia; lib. IX, ep. 11, S. 588 ohne Epitheton. - Zu
Mathilde vgl. Paolo Golinelli, Mathilde und der Gang nach Canossa, Zürich 1998, sowie
Vito Fumagalli, Mathilde von Canossa, Berlin 1998.
141 An Adelheid von Turin: Register Gregors VII. (wie Anm. 140), lib. I, ep. 37, S. 58f. (ohne Epithe-
ton); über Adelheid: lib. IV, ep. 12, S. 311-314, erwähnt als filia.
142 Brief an Agnes: Register Gregors VII. (wie Anm. 140), lib. I, ep. 85, S. 121ff. (hier S. 122: eminen-
tia und gloria). - Gegenüber anderen erwähnt: in lib. I, ep. 20, S. 32ff, als dilect(issim)afilia; ep. 21,
S. 34f. sowie lib. IV, ep. 3, S. 297-300, als karissima.
143 Register Gregors VII. (wie Anm. 140), lib. II, ep. 44, S. 180ff.
144 Register Gregors VII. (wie Anm. 140), lib IV, ep. 10, S. 309f.
 
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