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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

DOI Artikel:
Lubich, Gerhard: Frauen in den Briefen der frühen Päpste. Bild und Funktion der Frau nach der päpstlichen Epistolographie zwischen Gregor I. und Gregor VII.
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0152
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Frauen in den Briefen der frühen Päpste

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Der nunmehr abgeschlossene Erkundungsgang durch ein halbes Jahrtausend
päpstlicher Korrespondenz zeigt also neben der eingangs angesprochenen quanti-
tativen auch eine qualitative Veränderung, ohne dass sich dabei eine glatte Ent-
wicklungslinie ergäbe. Grob gesagt verlief die Entwicklung von der Art der Be-
rücksichtigung her grundsätzlich so, dass das Papsttum zur Zeit Gregors I. mit
und über Frauen korrespondierte, bis man in der frühen Karolingerzeit Frauen in
Briefe an Männer über das Konstrukt der geistlichen Verwandtschaft einbezog
und im Rahmen der so entstanden geistlichen Gesamtfamilie ansprach. In der
späteren Karolingerzeit redete man mehr über als mit Frauen, und die wenigen,
nur bei Johannes VIII. und Gregor VII. sich auffällig häufenden Briefe direkt an
Frauen richteten sich an Herrscherinnen, an Damen wie Angilberga oder Mathilde
von Tuszien, die aus eigener Machtvollkommenheit herrschten oder aber als po-
tentiell selbständige Machtfaktoren betrachtet wurden. Auffällig ist, dass die Kor-
respondenz der Päpste mit Frauen zwar Hinweise über bestimmte Kommunika-
tionsstrategien zu geben vermag und dies zugleich im Rückschluss ermöglicht, die
den Frauen zugeschriebene Rolle zu umreißen. Ein „Frauenbild" jedoch, das über
diese funktionalen Aspekte hinausgeht, geben die Papstbriefe nicht zu erkennen -
Reflexe theologischer Überlegungen sind äußerst selten, und die Briefe entbehren
weitestgehend der Verweise auf die immer wieder zur Bestimmung der Rolle oder
des Wesens der Frau herangezogenen biblischen Referenzen. Insgesamt entsteht
damit der Eindruck, als ob die Berücksichtigung einer Frau eine politische Option
der Päpste war, derer sie sich zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich oft unter
den von den Zeitumständen diktierten Möglichkeiten bedienten, für die aber
keine grundsätzlichen Hindernisse bestanden.
Dementsprechend verbergen sich hinter den zunächst formal und funktional
beschriebenen Kriterien verschiedene Arten des Zugangs, die das Papsttum zu
den Frauen suchte. Eine gewisse Konstante stellt über alle Zeiten hinweg der Ty-
pus des Briefs dar, durch den um Einflussnahme auf den Gatten gebeten wurde,
wobei festzuhalten ist, dass die frühen Briefe mit der Bitte um Mission einen ganz
anderen Druck aufbauten als diejenigen, in denen auf Verbesserung des Verhal-
tens christlicher Herrscher oder schlicht auf politische Einflussnahme abgezielt
wurde. Bleibt die Position der „Gattenflüsterin" damit sozusagen zeitlos, lässt sich
an der übrigen Korrespondenz eine Veränderung der Stellung ablesen, die man
den Briefempfängerinnen zugestand. In der Frühzeit, unter Gregor I. also, räumte
man Frauen eine gewisse Eigenständigkeit ein und näherte sich den Frauen nach
Ausweis der verwendeten Anreden auch jeweils nach Bedarf, vom schmeicheln-
den Bittbrief zur ermahnenden Einforderung der Christinnenpflichten bis hin
zum Mahnschreiben. Mit dem Aufstieg des Papsttums in Verbindung mit der
karolingischen Herrscherfamilie verloren sich diese Muster und machten Platz für
eine familiäre Terminologie unter Einschluss einer aufwendigen Titulatur. Der
rhetorische und argumentative Ansatzpunkt war somit die Familie, in der die
Frau ihren Platz zugeschrieben bekam und dadurch nicht mehr für sich allein be-
trachtet und behandelt wurde. Dies änderte sich erneut in der späteren Karolinger-
zeit, ablesbar daran, dass Frauen eher zum Thema päpstlicher Korrespondenz und
 
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