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Weinfurter, Stefan; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Päpstliche Herrschaft im Mittelalter: Funktionsweisen - Strategien - Darstellungsformen — Mittelalter-Forschungen, Band 38: Ostfildern, 2012

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Maleczek, Werner: Die eigenhändigen Unterschriften der Kardinäle – ein Spiegelbild ihrer Persönlichkeit? Mit einem Überblick über eigenhändige Unterschriften auf Urkunden vom Frühmittelalter bis ins 13. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.34754#0242

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Die eigenhändigen Unterschriften der Kardinale - ein Spiegelbild ihrer Persönlichkeit? 241

wissen Mitbestimmung signalisierte7. Erst unter Innocenz II. werden die Kardi-
nalsunterschriften zur Regel. Über 70% der Privilegien weisen sie auf8. Seit diesem
Pontifikat verschwinden andere Würdenträger völlig aus den Unterschriften-
reihen, selbst zu Zeiten der Laterankonzile von 1139, 1179 und 1215, als sich viele
hohe Prälaten an der Kurie aufhielten. Ebenfalls unter Innocenz II. wird die An-
ordnung der Unterschriften streng geregelt, d. h. unter dem Papstnamen stehen
die Kardinalbischöfe, links die Kardinalpriester, rechts die Kardinaldiakone und
es wird die Anciennität peinlich genau eingehalten, was auch dazu führt, dass in
den Unterschriftenkolumnen Lücken entstehen, wenn der Kardinal wohl an der
Kurie anwesend, aber aus irgendwelchen Gründen - vielleicht auch finanziellen
Gründen - gehindert war, seine Unterschrift zu leisten9. Es ändert sich der Rechts-
inhalt der Privilegien: Ganz überwiegend werden mit dieser Urkundenform schon
bestehende Rechte und Besitzungen bestätigt, sodass eine Mitbestimmung der
Kardinäle, die sich auf diese Weise äußert, fortan auszuschließen ist. Zum Haupt-
merkmal werden die ausführlichen Besitzlisten, die selbstverständlich auf päpstli-
chen Vorurkunden, die bis ins 8. Jahrhundert zurückreichen können, beruhen
oder sich auf andere, bei der Impetrierung vorgelegte Besitztitel gründen10. Ab
dem zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts werden Papsturkunden mit Kardinals-
unterschriften, die nicht in diese Kategorie fallen, zur Seltenheit.
Die Unterschriften der Kardinäle auf den päpstlichen Privilegien stellen ein
unvergleichliches Quellenmaterial dar. Es gibt aus dem Hochmittelalter keine Per-
sonengruppe, die sich so genau und kontinuierlich verfolgen und damit als eine
Beratergruppe des Papstes in einer beschleunigten Entwicklungsphase des mon-
archischen Papsttums bestimmen lässt. Die Anwesenheit an der Kurie und damit
die Möglichkeit einer Einflussnahme auf päpstliche Entscheidungen ist mit der
Unterschrift zweifelsfrei festgelegt, wobei jedoch, wie oben schon angedeutet, der
Schluss auf Mitbestimmung nicht oder nur mit großen Vorbehalten zulässig ist. Es
kam für den Petenten auf den eindrucksvollen Charakter der Urkunde an, wohl
auch auf die symbolische Präsenz des Papstes und seiner engsten Mitarbeiter im
Schatz, im Archiv der eigenen kirchlichen Einrichtung. Für den ausstellenden

7 Luigi Pellegrini (= Mario da Bergamo), Cardinali e Curia sotto Callisto II (1119-1124), in:
Raccolta di studi in memoria di Sergio Mochi Onory (Contributi dell'Istituto di storia me-
dioevale 2. Pubblicazioni dell'Università Cattolica del Sacro Cuore. Contributi, ser. Ili, Scienze
storiche 15), Mailand 1972, S. 512ff.
8 Von den 591 von Laudage, Rom (wie Anni. 5), S. 26 mit Anni. 17, gesammelten Privilegien ha-
ben nur 174 keine Kardinalsunterschriften. Da der Großteil davon nur kopial tradiert ist, dürfte
der richtige Prozentsatz noch höher liegen.
9 Darauf beruhend die Diskussion eines Detailproblems: Rudolf Hiestand, Feierliche Privile-
gien mit divergierenden Kardinalslisten? Zur Diplomatik der Papsturkunden des 12. Jahrhun-
derts, in: Archiv für Diplomatik 33,1987, S. 238-268.
10 Vgl. die Auswertungen durch Dietrich Lohrmann, Kirchengut im nördlichen Frankreich.
Besitz, Verfassung und Wirtschaft im Spiegel der Papstprivilegien des 11.-12. Jahrhunderts (Pa-
riser historische Studien 20), Bonn 1983, und Reinhard Härtel, Additamenta zur Enumera-
tio bonorum in päpstlichen Privilegien, in: Päpste, Privilegien, Provinzen. Fs. Werner Maleczek
(Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. Erg.-Bd. 55), hg. von Jo-
hannes Giessauf (u. a.), Wien 2010, S. 103-122..
 
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