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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0024
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11 Gewalt als Begriff

23

von der Redewendung jemandem Gewalt antun' über das gewaltsame Öff-
nen von Gefängnissen bis zu Ermordungen, womit sich der Kreis zu den oben
unter (5) vorgestellten ,Waffentaten' schließt:
Ff asses tost apres pne ses gens f eMrenf gaignie, jeisf de^endre inconfinenf
tpFcm nejeisf miffeybrce anx dafdfans d'pceffe udfe.^
[Bald nachdem seine Leute sie [die Stadt] eingenommen hatten, wur-
de unverzüglich verboten den Bewohnern der Stadt Gewalt anzutun.]
Ff^if de^aif cf dejbrce rompre Es prisons.^
[Er ließ die Gefängnisse mit Gewalt öffnen.]
Maiz parjbrce par derriere dydf morf cf occiz.^
[Er wurde gewaltsam und hinterrücks ermordet.]
(6) Daran anknüpfend kann mit dem Begriff jbrce auch das Element des
Zwangs angedeutet oder hervorgehoben werden. Zwang, beziehungsweise
das Gefühl, in einer Zwangslage zu sein, kann aus den verschiedensten Grün-
den entstehen, beruht jedoch häufig auf der Androhung oder Anwendung
von Gewalt. Der Chronist der Cdronfpue des puafre premfers Vafois beklagt, dass
der Frieden von Bretigny (1360) aus französischer Sicht zu früh abgeschlossen
worden sei, denn die englische Armee habe keine Nahrung mehr gehabt und
sich bald zwangsweise zurückziehen müssen:
Par pnop ff jäffoff pne fe dff rop d'Angfeferre ef sem dosf par^bree mifdassenf
ef parffssenf du ropaume de France, car dz ne fronuofenf pne mengfer, ef sf
esfofenf ja demf ajjEmez.^
[Deswegen wäre es nötig geworden, dass der König von England und
sein Heer sich gezwungenermaßen zurückziehen und Frankreich ver-
lassen, da sie kein Essen fanden und schon halb verhungert waren.]
Derselbe Chronist berichtet, dass französische Kardinäle 1378 die Papst-
wahl Urbans VI. nicht anerkannt hätten, weil die Wähler unter Zwang und
aus Angst vor den Römern gehandelt hätten:
Mafz fes cardmanfv ne fe uonfdrenf accepfer, ef dfsofenf pn'ffz auofenf jäff fe
premier parjbree ef pemr dcmbfe pne fes Rommams ne fes occisissenf.^
[Aber die Kardinäle wollten ihn nicht akzeptieren und sagten, dass
sie den ersten [Papst] aus Zwang und aus Angst, dass die Römer sie
töteten, gewählt hatten.]
Auch Geständnisse, die unter Folter zustande gekommen sind, werden
eindeutig als erzwungen interpretiert:

22 Monstrelet, Chronique, Bd. 6, S. 23.
23 Chronique des quatre premiers Valois, S. 249.
24 Ebd., S. 11. Weitere Beispiele: Ebd., S. 93, 138f, 231; Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 289 und
370; Philippe de Commynes, Memoires, Bd. 1, S. 332f. (V,4) und 399 (V,17).
23 Chronique des quatre premiers Valois, S. 117.
26 Ebd., S. 270.
 
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