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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0063
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62

III Orientierung

Perspektive aus, während das sogenannte /ourtM? d'MM Bourgeois de Pon's^'
eindrücklich aus der zwischen den Bürgerkriegspartien umkämpften Haupt-
stadt berichtet.
Der Bürgerkrieg zwischen Armagnacs und Bourguignons am Anfang des
15. Jahrhunderts spiegelt sich insofern in diesem Korpus an historiographi-
schen Texten wider, als sich in den Quellen neben verschiedenen sozialen
Perspektiven auch die politischen Oppositionen der Bürgerkriegsparteien
abzeichnen - wobei die Armagnacs deutlich weniger literarisch produktive
Parteigänger hatten als die Bourguignons.^ Zumindest partiell als armagna-
kisch kann Nicolas de Baye gelten. Gilles le Bouvier schrieb seine Chronik
explizit als Auftragswerk des Dauphins und späteren Königs Karl (VII.). Als
burgundische Chronisten im politischen Sinn können Pierre Cochon, Enguer-
rand de Monstrelet, Thomas Basin (der sich zudem durch seine persönliche
Gegnerschaft zu Ludwig XI. auszeichnet), der Bourgeois de Paris und Georges
Chastellain gelten. Auch der Untersuchungszeitraum wird zeitlich gleichmä-
ßig (von sehr frühen Werken wie der Ciironi^ne dife de Jean de VeaePe bis zu
späten wie der von Philippe de Commynes) abgedeckt.
Gegenüber Chroniken, die eine den Ereignissen verpflichtete narrative
Struktur haben und nur sporadisch übergeordnete Gedankengänge bieten,
bieten Traktate auch abstrakte und theoretische Reflexionen über Gewalt. Die
Vielzahl an Schriften, die aus verschiedenen Blickwinkeln Kriege bezie-
hungsweise Gewalt thematisieren, ist ein eindrucksvoller Beleg für die Rele-
vanz des Themas in den Augen der Zeitgenossen^ Die Traktate lassen sich
grob drei Themenfeldern zuordnen. (1) Ritterliche Tugenden rückt etwa der

gestorben. Seine Chronik (1108-1430) kompilierte er aus verschiedenen Quellen, schrieb aber
wohl ab 1406 selbständig. Sein Interesse galt vor allem Ereignissen um Rouen, seine Sympathie
lag beim Herzog von Burgund und dem einfachen Volk, dessen Belastungen er hervorhob. Vor
dem Prozess gegen Jeanne d'Arc bricht seine Chronik ab - vielleicht weil seine Sympathie ihr
gegenüber im englisch kontrollierten Rouen nicht opportun war. Vgl. van Hemelryck, Cochon;
Bulst, Jacquerie, S. 806; Vernet, Cochon; Robillard Beaurepaire, Introduction.
Edition: Chronique normande de Pierre Cochon.
61 Der Name für das Tagebuch, das über die Ereignisse von 1405 bis 1449 berichtet, wurde 1653
durch Godefroy geprägt und ist bis heute geläufig, obwohl man den anonymen Autor mittler-
weile dem Klerus zuordnet. Er war Doktor der Theologie, an der Pariser Universität tätig und
wohl zudem dem Kapitel von Notre-Dame verbunden. Er notierte aus einer genuin Pariser
Perspektive die Ereignisse seiner Zeit, schrieb über das Wetter, die Preisentwicklung, Kriege
und Politik, und gibt damit ein lebensnahes Bild des Pariser Lebens, insbesondere der enormen
Wirkung von Gerüchten. Bis 1436 neigte er in seiner Meinung den Burgundern zu. Vgl. Beau-
ne, Rumeur; Autrand, Journal; Beaune, Introduction [1990], S. 11-26; Tuetey, Introduction.
Edition: Die Edition von Beaune ersetzt die ältere von Tuetey; Journal d un Bourgeois; Journal
d un Bourgeois [1881]. Tuetey stützte sich in seiner Edition maßgeblich auf die als die ältesten
geltenden Handschriften aus dem Vatikan (BAV, Reg. Lat. 1923) und Paris (BnF, Coli. Dupuy
n° 275). Beaune übernahm seinen Text unter Berücksichtigung weiterer Handschriften und
modernisierte die Orthographie. Desgrugillers-Billard legte zudem eine Transkription der va-
tikanischen Handschrift vor, sowie eine Übersetzung ins moderne Französisch: Journal d un
Bourgeois [2009]; Le journal d un Bourgeois. Deutsche Übersetzung; Leben in Paris. Ich zitiere
im Folgenden die Edition von Beaune unter Angabe der Kapitelzählung, so dass die Passagen
in allen Editionen schnell auffindbar sind.
62 Samaran, Maison, S. IV-VI.
63 Minois, Guerre de cent ans, S. 529-533.
 
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