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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0109
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108

1111 Voraussetzungen

figsten vor geworfen wurde, dass sie das Volk nicht schützen und den Eng-
ländern als den eigentlichen Feinden keinen Widerstand leisten würden.^
Dieser Vorwurf rekurriert auf die Gliederung der Gesellschaft nach funktio-
nalen Zuständigkeiten - immerhin behaupteten die Ritter ja selbst, ihre Auf-
gabe sei der Schutz und die Verteidigung des Landes. Nun aber warf man
ihnen vor, dass sie disziplinlos und tapfer nur gegenüber armen, unbewaffne-
ten Landarbeitern und Händlern seien A Es fehle ihnen an Übung und Aus-
bildung und, so Thomas Basin zum Jahr 1435, insbesondere die französischen
Truppen würden nur noch mit Tricks und Verrat kämpfen.^ Der letzte Punkt
bezieht sich auf die vor allem für die ,ritterliche Kriegstührung' relevante
Frage, welche Tricks im Krieg erlaubt seien. Traditionell forderte das ritterli-
che Kampfethos gleiche Voraussetzungen auf beiden Seiten und lehnte Tricks
zumindest theoretisch als unehrenhaft abpi Hier zeigt sich, wie unterschied-
lich Kampfweisen bewertet werden konnten: Thomas Basin schien - wie seine
Schilderung zeigt - das ritterliche Ethos zu kennen und spielte gezielt auf die
traditionellen Regeln an, um die Kampfweise der französischen Krieger her-
abzuwürdigen. Der Autor der CompZahBe sur 1% AzhüLe de Po/üers hingegen
fasste es als feige Absprache auf, dass Ritter sich gegenseitig auf Lösegeld
gefangen nahmen, statt einander zu tötend - und zeigte damit, dass er mit
den ritterlichen Regeln der Kriegsführung nicht vertraut war, oder sie schlicht
nicht billigte. Der Bourgeois de Paris lässt ein ähnliches Denkmuster erkennen.
Empört schilderte er, wie die Burgunder 1418 einige Hilfstruppen aus Paris
bewusst von der Belagerung Montlherys weglockten, um mit der dortigen
Garnison gegen eine Geldzahlung ihren Abzug zu verhandeln. Die Pariser
seien sehr wütend gewesen, als sie davon erfuhren:^
„Es ist wahr, dass, wenn man die Städter hätte machen lassen, es in
weniger als zwei Monaten keinen Armagnac mehr in Frankreich ge-
geben hätte, dem sie kein Ende bereitet hätten. Deswegen wurden sie

is Klagen über fehlenden Schutz: Chronique dite de Jean de Venette, S. 154, 242, 284; Chronique
du Religieux, Bd. 6, S. 42f. Klagen über fehlenden Widerstand: Chronique normande de Pierre
Cochon, S. 273 und 278; Journal d'un Bourgeois, S. 138 (§ 242), 139 (§ 243), 332 (§ 644, 647), 406
(§ 806); Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 224-226.
i9 Brtp foMS /cs se/gneMrs & France e/a/en/ /ons deuenns commepmmes, car i/s n'e/a/en/ /?ard/s t?Me snr
/es panures /aFonreMrs e/ snr /es panures maredands, tpu e/a/en/ sans md/es armes. Journal d'un Bour-
geois, S. 415 (§ 832). Siehe auch Vernet, Tragicum argumentum, S. 152f. (§ 14); Chronique du
Religieux, Bd. 6, S. 288; Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 224-226.
Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 226. Siehe auch Vernet, Tragicum argumentum, S. 152f. (§ 14).
ii Giovanni da Legnano, Tractatus de Bello, S. 125 (Kap. 62); Bonet, Arbre, S. 142-144 (IV,49);
Laennec, Christine, Bd. 2, S. 210-212 (111,13) (Siehe auch Christine de Pisan, Book of Fayttes,
S. 213-215; Christine de Pisan, Book of deeds, S. 163f.); Christine de Pizan, Livre du corps de
polide, S. 85-89 (11,19-21).
ii On/pdf hd pac/ion auec ce:ds d'Ang/e/erre;/ Ne /Mons pas /'nn /'aM/re;p!/sons dnrer /a gnerre;/ Fai-
gnons es/re pr/sons; mo:d/1/ porrons ac^nerre. Beaurepaire, Complainte, S. 261, V. 41-44. Ähnlich
auch in der Chronique normande de Pierre Cochon, S. 102.
i8 Journal d'un Bourgeois, S. 129f. (§ 226). Siehe auch ebd., S. 331f. (§644).
 
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