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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0146
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11 Formen kriegerischer Gewalt

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derschlag auch auf dem Schlachtfeld: Mit der Gefangennahme oder dem Tod
eines Anführers war eine Schlacht häufig beendet und entschieden.^
Jenseits der Frage, wer das Recht hatte, Krieg zu führen (ms ad hdümz)
stellte sich auch die Frage, wie dieser geführt werden sollte (ms m
Feste ,Spieregeln' gab es nicht, sondern lediglich verschiedene Rechtstraditio-
nen und -gewohnheiten, etwa die römisch-antike Tradition, die Gottes- und
Landfriedensbewegung des 10. und 11. Jahrhunderts sowie ritterliche Ideale,
aus denen sich erst im Laufe der Zeit vage Vorstellungen eines ,Kriegsrechts'
herausbildeten.38 Der Krieg galt als Zustand eigenen Rechts, so dass hier er-
laubt sein konnte, was im Frieden verboten war A Die Quellen des 14. und
15. Jahrhunderts unterscheiden übereinstimmend verschiedene Modi des
Krieges, die jeweils bestimmte Richtlinien für den Kampf implizierten. Die
gMcrrc OMverfe und die gMcrm mortdL galten als Hauptarten des Krieges, der
jeweils unter der Autorität eines legitimen Fürsten geführt wurde.,Offen' war
die gMenr otz verte insofern, als dass ein solcher Krieg angekündigt und damit
der Kriegszustand offiziell eröffnet wurde.4° Zeichen des offenen Kriegszu-
stands war das entrollte Bannerd' Die Vorwürfe des Königs gegenüber dem
Herzog von Burgund 1414 wurden in der Überlieferung Monstrelets in ande-
rem Kontext bereits zitiert (vgl. S. 27): Der Herzog sei mit entrolltem Banner
vor Paris gezogen und habe offenen Krieg (gnerre otz verte) gegen das Land
und den König geführt „in der Art und Weise, wie es dessen alte Feinde aus
England tun könnten."^ Der ,offene Krieg' konnte traditionell nur zwischen
souveränen Fürsten ausgetragen werden. Umso verstörender musste aus
obrigkeitlicher Sicht das Agieren Johanns Ohnefurcht erscheinen: Ein eigent-
lich zu Gehorsam verpflichteter Herzog führte auf eine Art Krieg gegen den

36 Vgl. z. B. Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 348. Zum hochmittelalterlichen Heer als Personen-
verband siehe Prietzel, Kriegführung, S. 27-29. Zur Stellung des Heerführers Verbruggen, Art,
S.217-221.
37 Diese begriffliche Unterscheidung findet sich erstmals bei Hugo Grotius (De f:zro Fofff ao pacis,
1625); vgl. Kortüm, Kriege, S. 191. Siehe dazu Schmidtchen, Ius, S. 26f.; Ziegler, Kriegsrechtli-
che Literatur, S. 58; Howard, Constraints, S. 2f.
38 Kortüm, Kriege, S. 191-193; Schmidtchen, Ius, S. 27; Schmidtchen, Kriegswesen, S. 54-97;
Contamine, Guerre au Moyen Age, S. 353-364 und 452-462; Keen, Laws, S. 7-21.
39 So explizit der italienische Jurist Cinus Pistoriensis (+1337): Not. Prtmo, pfMod? aftmf osf f:zs
tempore Fofff, & affzzd tempore pacis. f... J Pt per f?oc eotügttMr, pfMod? afmd est msfzzrn tempore gMerrae,
& afiMd est iMstMm tempore pacis, p:zia iiizzet est iMsfMm, pMod czziiiFof m tepore tsicj SMO expedif, sie &
corpori iuzmawo aiizzd expedif tempore ip/irmifafis, & aiizzd tempore sam'fafis. Cinus Pistoriensis, In
codicem, Bd. 2, S. 423 (lib. VI, tit. 50, §1). Vgl. Keen, Laws, S. 64.
40 So berichtet Michel Pintoin zum Jahr 1384, dass John of Gaunt noch vor Ablauf des vereinbar-
ten Waffenstillstands nach Calais reiste, um über dessen Verlängerung, oder aber eine Kriegs-
erklärung (gHcrrc imü'ceretMr aperfa) zu verhandeln. Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 342. Wei-
tere Belege: Froissart, Chroniques (liv. I & II), S. 214 (1,74); Monstrelet, Chronique, Bd. 4, S. 392;
Bd. 5, S. 52 und 336; Bd. 6, S. 75; Basin, Louis XI, Bd. 2, S. 58. Zur zeitlichen Struktur von Krie-
gen siehe Kuchler, Kriege, S. 299-304.
41 Prietzel, Kriegführung, S. 320-323; Keen, Laws, S. 105-109.
42 it osfoif WMM a pMissance & gows d'armes of a esfamtarf despioie deuaMf ia uiiie & Parts, en JäisaMf
ptMstoMrs uiofeMces irreparaMes OM roi/aMme. Pf %r*mf garm'so?! & ses gtms a CompitmgMO of a
SoissoMS, iespzzeiz ctmscMM JoMr Jäfsoff gzzerre ozzverfe aMX pai/s of aMX SMpgofz Roi/, amsi of par fa
mawiere p:ze poorrotonf /atro sos anotons OMMomfs d 'Angfoforro. Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 463.
Siehe auch ebd., Bd. 3, S. 197.
 
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