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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0147

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146

IVI Problematisierungen

König, die ihm gar nicht zustand. Damit wurde er zum Sinnbild illegitimer, ja
illegaler Gewalt - und somit zum Rebellen. Der König mag versucht haben,
das Recht der Kriegsführung für sich zu monopolisieren, Christine de Pisan
hingegen zählte die französischen Herzoge ausdrücklich zu den souveränen
Fürsten - und gestand ihnen damit das Recht zu, Krieg zu führend
Sowohl die gMcrm OMuerfe als auch die gMcrm morfdlc zeichneten sich ideal-
erweise durch die Offenheit und Sichtbarkeit ihrer Ausübung aus. So sollten
für die Gegner gleiche Voraussetzungen geschaffen werden, damit diese sich
fair aneinander messen und Gott ein Urteil fällen könnte.^ Enguerrand de
Monstrelet spielte auf genau diese Offenheit an, wenn er im Vorfeld des Frie-
dens von Arras zwischen Burgund und der französischen Krone (1435) Un-
stimmigkeiten im vormaligen anglo-burgundischen Bündnis beschrieb:
„Noch aber führten sie keinen offenen Krieg gegeneinander, sondern
beide Parteien, die Engländer und die Burgunder, sannen im Gehei-
men nach Wegen und Möglichkeiten, den anderen zu übervortei-
len."45

Auch Thomas Basin rekurrierte auf das Konzept der gMenr OMuerU, als er
die Rückeroberung der Somme-Städte durch Ludwig XI. 1470/71 schilderte.
Dessen Tricks und Manöver wirken in der Gegenüberstellung mit dem heh-
ren Konzept eines fair und offen geführten Kriegs negativ und verschlagend^
Anmaßungen oder Abweichungen von derartigen Rechtsvorstellungen wur-
den genau notiert und konnten narrativ entsprechend eingesetzt werden, um
das Handeln eines Fürsten zu disqualifizieren. Da politische, militärische
oder rechtliche Konsequenzen aber aufgrund der fehlenden Sanktionsmög-
lichkeiten nicht zu befürchten waren, haben derartige Passagen eher einen
moralischen Gehalt: Wer die entsprechenden Regeln nicht achtete, agierte
unritterlich und unehrenhaft und isolierte sich damit sozial.
Der Hauptunterschied zwischen der gMenr OMuerU und der gMenv morfcHc
lag in der Art, wie man den Gegner behandelte. Das klassische Lösegeldsys-
tem, bei dem sich Ritter untereinander nicht töteten, sondern gefangen nah-
men und gegen Geldzahlungen wieder frei ließen, war mit der gMenv OMuerU
verknüpft, wohingegen in der gMenr morfdlc kein Pardon zu erwarten ward?

43 Laennec, Christine, Bd. 2, S. 25 (1,3), (siehe auch Christine de Pisan, Book of Fayttes, S. 10;
Christine de Pisan, Book of deeds, S. 15). Siehe dazu Gauvard, Conclusion, S. 380; Keen, Laws,
S. 73-78.
44 Siehe dazu Bartlett, Mortal Enmities. Zu Schlachten als Gottesurteil siehe S. 89, Anm. 37.
43 Jg soff preseMfemeMf Me s'eMfre/et/sseMf pofMf & gMerre OMuerfe, foMfe/bis i/eeMÜ deMX parffes d'AM-
gfeferre cf & BoMrgoMgMe, commeMcereMf seerefeweMf d adufser uoies cf MMMieres de preMdre gduHMddge
f'MM SMr f 'HMfre. Monstrelet, Chronique, Bd. 5, S. 203f.
46 Ne^Me eMim easfrfs ef arworMM! pofeMefa, Me^Me df(/idHcioM;hMS ef deMMMCMcioMdws dosffdfaffs Hd?Me
iM/ereMdi Md pdaw^effs 0?Mod de/Mre geMciMm ef MHfMndi ^Modaw modo exisdf), efuffafes fnp'Mswodf
ef opfda SMdfgere gffempddwf; sed prodfefoMfdMS ef occMdis Hd?Me fafeMffdMS dods dfeforMW foeorMW ef-
u;'MM! HMfwos ad dedfefoMew sodfeffadaf. Basin, Louis XI, Bd. 2, S. 54.
47 Chronique des quatre premiers Valois, S. 134; Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 96 und 216;
Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 65, 153, 198; Bd. 4, S. 443; Bd. 6, S. 86; Juvenal des Ursins, His-
 
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