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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0123

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51 Intellektuell-reflektierend

Die Sündhaftigkeit der Menschen hatte Herrschaft nötig gemacht, die für das
vernünftige und geordnete Zusammenleben der Menschen, sowie zur
Schlichtung von Streit nötig war.' Der Krieg als obrigkeitliches Mittel zur
Friedenswahrung mag daher zwar einem menschlichen Defizit entsprungen
sein, an seiner Notwendigkeit, ja seiner Gottgegebenheit jedoch änderte das
nichts. Honore Bouvet verankerte die Entstehung des Krieges in seinem Arhre
des heia/des entsprechend zeitlich vor der Erschaffung des Menschen. Er ver-
wies auf den Krieg zwischen Gott und Lucifer und folgerte, es sei kein Wun-
der, dass auf der Erde Krieg herrsche, wenn es auch im Himmel Krieg gege-
ben habe.^
Unter den ,Intellektuellen' des Spätmittelalters verstehe ich nicht aus-
schließlich diejenigen, die das Denken und Lehren zu ihrem Beruf gemacht
haben, wie Le Goff sie für das Hochmittelalter charakterisiertet Sie stellen
vielmehr eine heterogene Gruppe aus politischen Theoretikern und hofnahen
Juristen (die Gauvard als /umMmsUs ansprichb), aus das Zeitgeschehen kom-
mentierenden Chronisten^ oder aus den sogenannten am bur-
gundischen Hof dar. Sozial sind sie kaum einheitlich zu fassen, außer dass sie
gebildet waren; dies bedingte, wie das Beispiel Christines de Pisan zeigt, je-
doch nicht unbedingt eine universitäre Ausbildung/ Ich möchte sie im Fol-
genden gesammelt als , Intellektuelle' vor stellen, da sie vor allem ihr Zugang
zur Gewalt eint. In Chroniken berichteten sie nicht nur über das Zeitgesche-
hen, sondern reflektierten und kommentierten es eingehend; in Traktaten
diskutierten sie Ursachen und mögliche Lösungswege für die Misere des
Landes und boten damit jenseits sozial einheitlich scheinender Gruppen wie
dem Adel oder dem Klerus einen vielfältigen, mitunter abstrakt-theoretischen
Blick auf Gewalt. Als Exkurs möchte ich mit dem Tnzcfaü/s de Mio Johannes'

1 Mn/s i/ ordoMMH HMX Pommes rn/soM, sens e/ d/scre//oM n/*/M ds deMsseM/ u/ure rn/soMMH/deweM/, rar
en /oM/es edoses (?Mi OM/ wewdres i/ es/ de Mecessi/e se/ow doMMe rn/soM t?Me i/ i/ ad MMg c/n'ejf...j. PoMr-
dowc^Mes jMrisdic/ioM e/ se/gwor/e uien/ /OM/ premieremeM/ de D/eM poMr Recorder /es d/ssews/oMS
des dommes. Bonet, Arbre, S. 67. Auch Christine de Pisan leitet die Herrschaft aus der Notwen-
digkeit ab, das menschliche Zusammenleben zu regeln: Christine de Pisan, Livre des fais,
Bd. 1, S. 112f. (11,2).
2 Si M'esf MMe gründe merued/e se ew ces/Mi wowde soMrdew/ gMerres e/ dn/Hd/es pM/s^Me edes/Mrew/ pre-
w/erewerd HM de/. Bonet, Arbre, S. 5 (1,2).
^ „[Le nom] designe ceux qui font metier de penser et d'enseigner leur pensee. Cette alliance de
la reflexion personelle et de sa diffusion dans un enseignement caracterisait l'intellectuel." Le
Goff, Intellectuels, S. 4.
^ Gauvard, Humanistes, S. 218-225.
5 Hiestand, Weh dem Reich, S. 128, nennt als Beispiel die Cdrondpfc des tpM/re prew/ers Vd/o/s.
Darunter versteht man eine Gruppe von Schriftstellern aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts, die sich besonders um einen poetischen Stil bemühten, Doudet, Condicion; Doudet,
Poetique; Zingel, Frankreich, S. 33-37; Jung, Rhetoriqueurs.
2 Ribemont, Christine, wies auf den autodidaktischen Charakter von Christines Bildung hin.
 
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