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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0020

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III Orientierung

.Gewalt' ist als wissenschaftliches Thema seit den 1970er fahren intensiv und
interdisziplinär bearbeitet worden. Der Umfang und die Heterogenität des
Themas machen einen Forschungsüberblick quasi unmögliche Im Folgenden
werden daher nur die Aspekte der Gewaltforschung beleuchtet, die für die
Fragestellung dieser Arbeit relevant sind. Als Grundlage ist dafür zunächst
eine Annäherung an den Begriff der Gewalt nötig, sowohl aus mittelalterli-
cher als auch aus moderner Sicht. Danach folgt ein Überblick über die mediä-
vistische Gewaltforschung. Abschließend werden die theoretische Verortung
der Arbeit und das ihr zugrunde liegende Quellenkorpus vorgestellt.

11 Gewalt als Begriff
Das deutsche Wort .Gewalt' hat zwei BedeutungsebenerU Es meint zum ei-
nen ..die Macht. Befugnis, das Recht und die Mittel, über jemanden, etwas zu
bestimmen, zu herrschen.Hier liegt auch die etymologische Wurzel des
Begriffs, der sich vom mittelhochdeutschen (im Sinne von .verur-
sachen'. .stark sein', .beherrschen', parallel dazu lateinisch uaZcm in der Be-
deutung .stark sein'. .Einfluss haben') ableiteb und eine neutrale oder positive
Konnotation hat. die wir im heutigen Sprachgebrauch noch im Verb .etwas
bewältigen' und im Adjektiv .gewaltig' finden. Die zweite Bedeutungsebene
ist deutlich negativer: Demnach ist Gewalt ein ..unrechtmäßiges Vorgehen,
wodurch jemand zu etwas gezwungen wird", beziehungsweise eine ..(gegen
jemanden, etwas rücksichtslos angewendete) physische Kraft, mit der etwas
erreicht wird."^ Etymologisch hat sich dieses Verständnis seit dem 15. fahr-
hundert durchgesetzt und ist heute in den meisten entsprechenden Wort-
fügungen dominant (gewaltsam, gewalttätig, vergewaltigen). Was der Begriff
.Gewalt' im Deutschen an Mehrdeutigkeit vereint, kann im Englischen und
Französischen differenzierter ausgedrückt werden: Die neutral bis positiv
konnotierte legitime Machtausübung findet mit yozeer und poMUOzr seine Ent-
sprechung. die physische Kraftausübung mit wofenoU

1 Einführende Forschungsüberblicke geben z. B. Groebner. Schock; sowie aus germanistischer
Sicht Braun. Violentia.
2 Siehe dazu Hugger. Elemente. S. 20-22. sowie jüngst Schmieder. Gewaltbewältigung. S. 421.
3 Duden [62007]. S. 688.
^ Duden - Herkunftswörterbuch. S. 274 und 909.
3 Duden [''2007], S. 668. Als dritte Bedeutungsebene versteht der Duden unter .Gewalt' eine
„elementare Kraft von zwingender Wirkung", bzw. „etwas Unvorhergesehenes, auf das der
Mensch keinen Einfluss hat". Diese Ebene wird im Folgenden nicht weiter thematisiert.
6 Siehe dazu Sieferle, Einleitung, S. 10f.; Brown, Violence, S. 7; Hirsch, Notwendige Gewalt,
S. 68f.
 
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