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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0225

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224

IVI Problematisierungen

tischer Kommunikation" etwa im Rahmen des Bielefelder Sonderforschungs-
bereichs 584 („Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte")
explizit thematisierte In ersten Fallstudien stellte sich heraus, dass Aufständi-
sche tatsächlich sehr gezielt Gewalt ausübten - im Gegensatz zur oft weitaus
gewaltsameren Repression durch die Obrigkeit/
Da wir kaum über Quellen verfügen, die uns die Sichtweise der Aufstän-
dischen selbst überliefern, stellt eine ausgewogene Analyse ihrer Hand-
lungsweisen eine besondere Herausforderung dar/' Grundsätzlich verdam-
men die Chronisten die Revoltierenden sowohl verbal als auch durch Zu-
schreibung von delegitimierenden Handlungen. Dass diese wiederum häufig
gewaltsam waren, ist für die Fragestellung dieser Arbeit von besonderem
Interesse. Im Folgenden werden zunächst ,klassische' Aufstände, also zeitlich
und geographisch begrenzte, kollektive Erhebungen, daraufhin untersucht,
welche Rolle Gewalt in ihnen spielte/ In einem zweiten Schritt werden die
Besonderheiten ideologiebedingter Gewalt im Rahmen des Bürgerkriegs ana-
lysiert, um abschließend längerfristige Formen kollektiver Gewalt in den
Blick zu nehmen.

211 Aufstände
Zu Aufständen kam es im spätmittelalterlichen Frankreich häufig in zeitlicher
Ballung/ Nach der Niederlage in der Schlacht von Poitiers nutzten Pariser
Bürger 1357-58 die Schwäche der Monarchie, um Einfluss auf die Politik zu
gewinnen, wobei es ihnen primär um einen stabilen Münzwert ging. Der
Konflikt eskalierte und führte schließlich zur Quasi-Geiselnahme des Dau-
phins durch den Pariser Prcudf des maredands Etienne Marcel (Februar 1358)/
Gleichzeitig erhob sich im Mai 1358 die ländliche Bevölkerung in der be-

sehe Kultur; Hobsbawm, Sozialrebellen; Rüde, Volksmassen; Tilly, Hauptformen; Davis,
Society, S. 162f.; Reddy, Textile trade. Ein zusammenfassender Überblick erschien 2003: Tilly,
Politics.
^ So der Titel des Teilprojekts CI, der „Protestbewegungen und deren Repression im französi-
schen und englischen Spätmittelalter" untersucht. URL: [http://www.uni-bielefeld.de/
geschichte/forschung/sfb584/project/phase3_cl_abstract.html] (05.02.2014).
5 Bommersbach, Gewalt; Hinck, Gewalt.
6 Zum Versuch, die Legitimationsstrategien der Aufständischen trotz der dezidierten Delegiti-
ma-tionsbemühungen der Chronisten herauszuarbeiten, siehe Mauntel, Legitimität. Dazu auch
Bulst, Jacquerie.
? Der Fokus auf Gewalt in Aufständen mag gegenüber vielfältigen, auch gewaltlosen Wider-
standsformen eine Einschränkung sein, ist hier aber durch die Fragestellung bedingt. Vgl. dazu
Cohn, Lust, S. 4f.
s Siehe als Überblick Bourin, Revoltes, S. 52-55; Mollat/Wolff, Ongles bleus, S. 139-143 und 180-
185, sowie Schneidmüller, Grenzerfahrung, S. 255-258. Dazu auch Lalou, Revoltes, bes. S. 159-
163.
9 Zur Pariser Revolte von 1358 siehe: Cazelles, Marcel; Autrand, Charles V, S. 289-356; d'Avout,
Meurtre; Funk, Robert Le Coq; Perrens, Etienne Marcel [1860]; Lacabane, Memoire. Aus mar-
xistischer Sicht: Eberhard, Gemeinde. Zur Institution der prcuöfc siehe Autrand, Charles V,
S. 230f.; Cazelles, Marcel, S. 19f., 38.
 
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