Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0325

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
324

IVI Problematisierungen

ßerung jedoch nicht lesen, da sie im Kontext des Bürgerkriegs eher situativ als
Argument diente Es scheint dennoch ein Bewusstsein für das Ausmaß kör-
perlicher Qualen gegeben zu haben, welche die Folter verursachte - selbst im
Regzsbr cnmznd. So wurden 1391 sechs Männer angeklagt, weil sie in Rungis
(Dep. Val-de-Marne) randaliert hatten. Alle sechs wurden verurteilt, zur Stra-
fe barhäuptig und barfuß an einer Prozession in Rungis teilzunehmen; drei
sollten darüber hinaus öffentlich geschlagen werden. Den anderen dreien
ersparte man dieses Los, weil sie, so das Protokoll, bereits gefoltert worden
seiend Dies ist insofern erstaunlich, da die dem Einzelnen zugefügte Gewalt
hier zum Maßstab wurde: Das Schlagen war zwar eine Körperstrafe - sie
musste aber öffentlich erfolgen, um den Opfern Genugtuung zu verschaffen.
Die durch Folter verursachten Schmerzen sind aus dieser Sicht keineswegs
mit einer öffentlichen Körperstrafe gleichzusetzend? Dennoch wurde die Fol-
ter, eigentlich ein Mittel der Untersuchung, wegen ihrer körperlichen Wir-
kung auf das Strafmaß angerechnet. Im vorliegenden Fall mag den Ausschlag
gegeben haben, dass erstens alle Beteiligten vor Ort Buße tun mussten und
zweitens drei weitere öffentlich am Körper bestraft wurden: Damit war der
öffentlichen Sühne Genüge getan und die Möglichkeit gegeben, gegenüber
den anderen Gnade wallten zu lassen.

413 Strafriten
Das Mittelalter kannte eine ganze Reihe von Strafformends Während heute
vor allem Freiheits- und Geldstrafen verhängt werden, zielte man im Mittel-
alter einerseits auf die Ehre, andererseits auf den Körper des Verurteilten. Ein
öffentliches Bekenntnis der Schuld oder die öffentliche Zurschaustellung ei-
nes Schuldigen bedeuteten für die jeweilige Person eine extreme Ehrminde-
rung, die als soziale Stigmatisierung weit über die eigentliche Dauer der Stra-
fe hinaus wirkte.^ Beschränkt man den Blick auf Gewalt beinhaltende Strafen,
bedeutet dies also eine nicht unerhebliche Einschränkung, durch die die über-
ragende Bedeutung von reinen Ehrenstrafen in den Hintergrund treten könn-
te. Zudem waren Hinrichtung keine alltägliche Straf form, die tatsächliche

45 Schmoeckel, Humanität, S. 100-108, argumentiert, Folter sei im Mittelalter kaum grundsätzlich
abgelehnt, jedoch zunehmend reguliert worden.
46 PcMsscMf p.J FgfMS SMr ie hcM HM piMS pres de iadde egdse (?Me Pen poMrrod doMMeweMp & (?Me Idee Pen
deisf pMhd^MeweMf (?Me, poMr cerPhMes CHMses tpd ad ce Huo&Mf wcM ie cowsed, iesdü PoHn CoissiM, /e-
dHM PegiM & Gerarf Le PoMuier, M'esddeMf HMCMMemeMf PhMS, & esf d! CHMse tele, c'esf Hssauoh poMr ce
tpPdz Huo&Mf esfe ^MeshoMMCz, comme d apperf piMS d pddM per ie proces ci/-dessMS escn'pf. Registre
criminel, Bd. 2, S. 246f.
4? Zum abgeschlossenen ,Raum', in dem gefoltert wurde siehe Zirfas, Rituale, S. 131-134.
46 Überblick bei Gonthier, Chätiment, S. 111-172. Zur Kulturbedingtheit von Strafformen: Car-
basse, Preface, S. 12.
4'' Gonthier, Chätiment, S. 120-126; Israel, Hinrichtung, S. 669.
 
Annotationen