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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0381

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380

VI Vertiefungen

positiv besetzt, ebenso wie die Bitte, das „Blut der Bürger"^ (etwa nach einem
Aufstand) zu verschonen, also die Einwohner nur mäßig zu strafen.
Das ,Blut der Bürger' fand schließlich auch Eingang in die Metapher, das
Königreich als ,Körper' zu verstehen: So befürchtete man 1405 angesichts der
fortgesetzten Plünderungen um Paris, dass sich das Königreich „wegen des
Hasses der Fürsten gegen sich selbst bewaffne und das Schwert sich vom
Krieg gegen die Feinde gegen das Blut der Bürger"^ wende: Der Bürgerkrieg
drohte für das Reich zu einer „tödlichen Wunde" zu werden, das Reich droh-
te „auszubluten."96
Jean Juvenal nahm diese Anamnese auf und führte sie fort, allerdings mit
einer anderen metaphorischen Umsetzung des Bluts: Ein Arzt erkenne an vier
Zeichen, dass ein Körper sterbe: Erstens, wenn sich die Knochen vom Körper
trennen; zweitens, wenn der Körper blute; drittens, wenn der Puls fehle und
viertens, wenn der Körper wahnhaft fiebere. In einem zweiten Schritt proji-
zierte Jean Juvenal diese Symptome nun auf den ,Körper' Frankreichs an und
führte zum zweiten Punkt an, Frankreich gingen durch die Kriege alle Reich-
tümer, Güter und Besitztümer verloren und das Land bleibe unkultiviert zu-
rück.^ Unter dem ,Blut' Frankreichs wurde hier sein materieller Reichtum
verstanden, dessen Erhalt damit als lebensnotwendig dargestellt wurde.

214 Leichen
Dem ritterlich-adligen Ideal gemäß behandelte man auch den toten (adligen)
Gegner mit Respekt. Bei der Schilderung der Schlacht von Crecy 1346 führten
Jean le Bel und Jean Froissart dies beispielhaft vor: Nach der Schlacht und
dem überwältigenden Sieg der englischen Truppen verbot Edward III. seinen
Kriegern, das Schlachtfeld zu plündern - was sonst eine durchaus übliche
Siegesgeste war - damit man die Toten am nächsten Tag noch erkennen kön-
ne.^ Entsprechend suchte man am nächsten Tag das Schlachtfeld ab und liste-
te alle Toten namentlich auf, die man identifizieren konnte. Froissart ergänzt.

1420). L'entree de ladlte ullle (pd^Mtydi saus sang epandre. lournal d un Bourgeois, S. 445 (§903)
(ad a. 1449). Sanz sang du mein espandre. Christine de Pisan, Livre des fais, Bd. 1, S. 123 (11,6).
Sans graut e/Juslon de sang. Jean de Bueil, Jouvencel, Bd. 1, S. 30.
94 LP ciulli sang Md;;' Ino! da de n lg n1 ta tc pa reere t u r. Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 240 (ad a. 1382).
95 A cnnctis e^nidew tlmedatnr circnmspectis, ne per eornw odla Intestina regnum in ulscera sna armare-
d;r,/errHmpHe ad dostül dedo in cdalem sangulnena uerteret. Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 344.
96 Christine de Pisan, Livre de la paix, S. 59 (1,1), schrieb, Gott müsse eurer la mortclle plai/e de du re
dai/ne et Pension de sang tres orrldleja tonte enwellle de ton catdoll^ne roi/anwe de France (?ui tont
perdsod. Siehe auch Kennedy, Lamentacion, S. 180. Zur Körpermetapher bei Christine siehe
Munson, Destruire. Das Bild des ,Ausblutens' findet sich z.B. bei Basin, Louis XI, Bd. 3, S. 368.
Abgeschwächt auch bei Christine de Pisan, Livre de la paix, S. 59 (1,1).
97 Juvenal des Ursins, Ecrits, Bd. 1, S. 428f. (Lothar in trtdMtactone).
98 Quant la desongne/nt departle, et la nult espesse sonrulnt, le roi//lt commander et crler (?ue nnl ne se
mit a cdasser aprez les anemis et ^ne nnl ne despoullast, ne rewnast les mors jus^nes a tant ^n'll en
donnerolt congle, a celle/ln (?u'on les pent wlelx congnolstre an watln. Jean le Bel, Chronique, Bd. 2,
S. 106f. Zur Suche nach den Toten ebd., S. 108. Siehe auch Froissart, Chroniques (liv. I & II),
S. 589 (1,286). Zum Plündern des Schlachtfelds siehe Prietzel, Kriegführung, S. 109-118.
 
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