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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0052

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31 Methodik und Quellenkorpus

Dass Warren Brown für seine Darstellung der Gewalt im Spätmittelalter als
Zeugen den Chronisten Jean Froissart wählte, ist symptomatische Froissart,
der mit seiner Chronik der Nachwelt vor allem die „außergewöhnlichen Be-
gebenheiten und schönen Waffentaten"^ seiner Zeit überliefern wollte, gilt als
Chronist des Rittertums par excellence/ Der Krieg war für ihn die Bühne, auf
der Heldentaten vollbracht wurden. Entsprechend liest sich seine Chronik als
Folge von Kämpfen, Belagerungen und militärischen Kampagnen. Froissart
legte durchaus Wert auf Präzision - allerdings nicht im Sinn historischer Ge-
nauigkeit, sondern mit Blick auf sein adliges Zielpublikum. Entsprechend
suchte er bewusst die Nähe der Ritter und machte deren Geschichten zur
Grundlage seiner Chronik/ Wann immer es um das spätmittelalterliche Rit-
tertum, um Krieg und um Helden geht, ist Froissart daher für Historiker die
Quelle der Wahl und prägt entsprechend das entworfene Bild/ Der Hinweis,
die Quellen seien wegen des breiten Raumes, den sie Gewalthandlungen ein-
räumen, für das Bild vom ,finsteren Mittelalter' zumindest mitverantwortlich,
greift allerdings zu kurz/' Entsprechend nimmt Gauvard auch die Historiker
in die Verantwortung: Wer über Gewalt oder Kriminalität schreibe, zitiere
zumeist die außergewöhnlichen und spektakulären Fälle, die so das entwor-
fene Bild dominieren würden/
Jenseits der , Schuldfrage', wer das Mittelalter verfinstert habe, sind beide
Ansätze nachvollziehbar: Viele mittelalterliche Autoren thematisierten in
ihren Werken gewalttätige Handlungen in großem Umfang - diejenigen, die
dies jedoch nicht taten, fanden bei der Untersuchung von Gewalt verständli-
cherweise kaum Gehör. Da wäre z. B. Pierre Cochon, apostolischer Notar in
Rouen, dessen Fokus stark auf den Geschehnissen in und um Rouen selbst
liegt/ Den Mord am burgundischen Herzog 1419 in Montereau erwähnt er
nicht einmal, gleichmütig reiht er die aufeinanderfolgenden Friedens vertrage^
und erneuten Kriegsausbrüche^ auf, und handelt wechselndes Schlachten-

' Brown, Violence, S. 256 und 261f.
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d'FMg/e/erre e/ des roi/gMwes uo/sZus, dow/ // roi/ e/ /eMrs eoMsgM/z sow/ cgMse, so/en/ Mo/g/deweM/ reg/s-
/re. Froissart, Chroniques (liv. I & II), S. 71 (Prologue); 7^6" t?Me /i grgM//nl d'grmes tpd par /es
gMerres de Friede e/ dTug/e/erre sow/ gueMM so/en/ Mo/g/deweM/ reg/s/re e/ m/s en memore perpe/Me/.
Froissart, Chroniques (Ms Amiens), Bd. 1, S. 1.
^ Siehe zu Jean Froissart S. 58f., Anm. 45.
^ Ainsworth, Introduction generale [2001], S. 20-24.
^ Siehe z. B. Ellena, Noblesse; Ellena, Temps; Diller, Attitudes; Jäger, Aspekte; Audinet, Lois.
6 Scharf, Reden, S. 65f. und 79; Allmand, The War and Non-combatant, S. 165.
2 Gauvard, Grace especial, S. 2.
s Robillard Beaurepaire, Introduction, S. V-XV.
9 F/ /H /g tpM/r/ewe pg/s. Chronique normande de Pierre Cochon, S. 268.
i° RecommeMcdgMZ /g seconde gMerre. Ebd., S. 247.
 
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