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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0263

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262

IVI Problematisierungen

213 Langfristige Aufstandsbewegungen
Neben städtischen Aufständen, die in aller Regel von kurzer Dauer, dafür
aber von hoher Intensität waren, soll im Folgenden abschließend kollektive
Gewalt vor allem auf ländlicher Ebene in den Blick genommen werden A? Da
die ländliche Bevölkerung sehr wohl um ihre taktischen und waffentechni-
schen Nachteile wusste, brauchte es gravierende Umstände, um sie in den
offenen Widerstand zu treiben. Dieser entstand zumeist durch einzelne Akti-
onen aus gefühlter individueller Perspektivlosigkeit heraus, die dann weiter
eskalierten und teils in jahrelange kollektive Aufstandsbewegungen münde-
ten, wie wir sie mit den sogenannten TnUnns in der Auvergne (ca. 1363-90)
und im Languedoc (ca. 1380-84) sowie mit den Briganten in der Normandie
(ca. 1434-36) fassen können. Zunächst soll anhand individueller Schilderun-
gen aus Begnadigungsbriefen die Dynamik und wachsende Organisation
dieser gewaltsamen Aufstandsbewegungen in den Blick genommen werden,
bevor dann die Tuc/uns und Briganten als Bewegungen selbst in den Mittel-
punkt rücken.

Dynamiken der Gewalt
Durch die andauernde Kriegsführung mit England, den französischen Bür-
gerkrieg sowie die CompagHtcs waren Plünderungen in bestimmten Regionen
Frankreich endemisch geworden. Der Dauerhaftigkeit des Phänomens stand
eine Vielfalt von Erklärungen gegenüber: Krieger rechtfertigten sich in Be-
gnadigungsbriefen damit, Lösegelderpressungen und Plünderungen seien
üblich gewesen,^ andere wiesen dezidiert auf ihre fehlende Besoldung hirt^
oder erklärten, sie seien durch Armut zum Stehlen gezwungen worden A"
Angesichts dieser Bedrückungen standen der Bevölkerung generell drei
Handlungsmöglichkeiten offen A Sie konnte sich einerseits durch die Zah-
lung von Schutzgeldern (%pp%hs) freikaufen - musste dazu aber die finanziel-
len Mittel besitzen A2 So beschreibt Monstrelet zum fahr 1432, wie um Amiens
und im Vimeu das Land ganz verlassen gewesen sei, weil die Menschen we-
der die appdhs-Zahlungen leisten, noch auf Hilfe hoffen konnten und daher

23? Challet, Mundare et auferre, Bd. 1. S, 17f., unterscheidet die TA? Ns von anderen Aufständen
explizit durch die lange Dauer ihrer Präsenz.
238 Lettre de rem/ss/oM für Guy de Roye, Juni 1448, Paris, AN, JJ179, fol. 67A7' (Nr. 127), ediert bei
Tuetey, Ecorcheurs, Bd. 2, S. 435f. (in Fußnote. 1), Textzitat auf S. 197, Anm. 343. Siehe auch
Toureille, Vol, S. 151f. sowie in dieser Arbeit S. 155, Anm. 89.
239 A^ndte de pa/ement de ga/ges et de so:ddes et d'aMtres prou/s/oMS de u/ure a este coMframf a prendre et
empörter de^dt u/ures et u/tad/es SMr /es edamps. Lettre de rem/ss/oM für Henri, den sog. dastard de
Graz, April 1445, ediert bei Tuetey, Ecorcheurs, Bd. 2, S. 387-391, hier 388.
240 Lt estodmf gens escdac/es de GramoMt et d'A/ost et des a:dres terres de Fdmdres, /es^Medr auodmf toMt
perdM /e /eMr et ne sauodmf de (?Moi/ u/ure se dz ne /e rodo/enf par toMt od dz /e poMo/ent prendre. Frois-
sart, Chroniques (liv. I & II), S. 990 (11,122) (ad a. 1385). Siehe auch die Lettre de rem/ss/oM für
Jeanne und Etienne Hervy, Juni 1423, Paris pendant, S. 103f.
244 Siehe dazu Wright, Knights, S. 97-102; Schnerb, Armagnacs, S. 289.
242 Zu den appah's-Zahlungen siehe S. 189, Anm. 293.
 
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