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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0322

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41 Formen obrigkeitlicher Gewalt

321

Gegenüber der üblichen Praxis, auch die als unentschuldbar' bezeichn-
ten Verbrechen zu begnadigen, sollte nun jedes Vergehen unabhängig von
Stand und Ansehen der Betroffenen bestraft werden - die Wahrung der indi-
viduellen Ehre rückte gegenüber der Durchsetzung der jMshce in den Hinter-
grund.^ Die allgemeine Forderung nach Gerechtigkeit, wie sie in historiogra-
phischen Texten überliefert ist, wandte sich jedoch nicht so sehr gegen den
einzelnen Delinquenten, sondern vor allem gegen Faktoren der kollektiven
Unsicherheit: Man klagte, dass plündernde Briganten straflos blieben und
forderte etwa 1418, die armagnakischen ,Verräter' zu verurteilen und exemp-
larisch zu bestrafen.^

412 Folter^
Folter wird im Quellenkorpus dieser Arbeit relativ selten thematisiert: Trakta-
te erwähnen Folterungen kaum, historiographische Texte nur selten in Zu-
sammenhang mit spektakulären Hinrichtungen. Die prozentuale Zahl der
Fundstellen steigt jedoch signifikant an, wenn man den Blick auf Rechts-
quellen weitet: Allein im Regzsür crzmzncl wurden drei Viertel der Beschul-
digten im Verlauf der Anklage gefoltert.^ Da das von Aleaume Cachemaree
erstellte Register alles andere als eine Statistik, sondern vielmehr ein als Ideal-
typ entworfenes Handbuch ist/'" hegt die Aussagekraft der Belege hier eher in
der Vorstellung, dass die Anwendung der Folter ein adäquates, ja ideales
Mittel sei, um ein wahrheitsgemäßes Geständnis zu erlangend Dieses war

26 Gauvard, Humanistes, S. 237.
22 NZ/n'/ow/MMS ZawcM Zn cos M/Zrix WMMHS /MZcMdc/wZ. Chronique dite de Jean de Venette, S. 284. (...)
auo/Z p/u/scMrs pr/soMM/crs, (...) /cs^Mc/z OM MC pMM/sso/Z po/MZ, cf tprc /cs HMCMMS, pgr^wMf OM HMZrc-
mcMZ, auo/cMZ csZc dc/Zurcz, /cs HMZrcs cs/arg/s, c/ /cs HMZrcs dcwoMro/cMZ pr/soMM/crs saus CMA^c;'Ms//cc
/c//c ^M'// apparZcMo/Z. FZ wMrwMro/cMZ Zrcs/rrZ CM d/sHMZ /csd/cZcs paro/Zcs OM scw/da/dcs, c/ uo:doZcMZ,
s/ cowwc OM d/so/Z, MoZcr OM c/Mrg/cr SHMS CHMSC /cs gcMS de /a jMs/Zce de Mcg/ZgcMcc OM de corrMp/ZoM,
d'/gMomMce OM de d/ss/wM/gc/oM. Journal de Fauquembergue, Bd. 1, S. 150. Vgl dazu Toureille,
Vol, S. 269.
26 In Abgrenzung zu lang andauernden Strafriten wird unter ,Folter' im Folgenden nur die Praxis
verstanden, mit der Menschen durch die Zufügung von Schmerz zu Geständnissen bewegt
werden sollten. In diesem Sinne zielt Folter keineswegs auf den Tod. Dazu Zirfas, Rituale,
S. 129f., der Folter als Ritual begreift, welches das Opfer, statt es in einen neuen Zustand (Tod)
zu überführen, im eigentlichen Übergang (Leid) festhält. Zur Definitionsfrage siehe auch
Tracy, Torture, S. 18-25. Für eine historisch-anthropologische Verortung der Folter siehe Bur-
schel/Distelrath/Lembke, Anthropologie, bes. S. 1-19. Zur Folter im Rechtsprozess Carbon-
nieres, La procedure, S. 490-508.
29 Gauvard, Grace especial, S. 33-45.
20 Siehe dazu S. 66f. und 319 dieser Arbeit.
22 Dies zeigt allein die Form, wie im Register die Folter angeordnet wurde, zum Beispiel bei
Adenet le Bryois: FZ pour cc, UCM SOM csZaZ, & <y?M de sauo/r dud/Z pr/soMM/er Za ucr/Zc dud/Z/w" & de
soM goMucrMcmcMZ,/rrcMZ d'opp/M/oM tpre /ed/Z AdcMcZ/:MsZ m/s d ^MesZZoM, pour sauo/r per sa ZwMcZ?e /a
uer/Ze. Registre criminel, Bd. 1, S. 10. Die Formel wiciirc d ^MesZZoM, mit der die Folter umschrie-
ben wurde, zeigt den engen Zusammenhang zur Befragung. Zur Begründung der Folter im
mittelalterlichen Recht: Schmoeckel, Humanität, S. 237-251. Zum Zusammenhang zwschen
Schmerz und Wahrheit siehe Lembke, Folter. Zur Wissensproduktion durch Folter siehe Hahn,
Körper, bes. S. 675-678.
 
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