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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0136

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Zwischenfazit: Konvergenzen und Oppositionen

Der Blick auf die Perspektiven, aus denen über Gewalt geschrieben wurde
zeigen, dass es keine einheitliche Einstellung zum Phänomen der Gewalt gab.
Die verschiedenen Formen der gegen Andere gerichteten physischen Kraft-
ausübung, die wir unter dem Begriff der ,Gewalt' zusammenfassen, wurden
nicht als einheitliches Phänomen betrachtet. Im Folgenden sollen anhand
zentraler Themen Konvergenzen und Oppositionen der verschiedenen Ein-
stellungen zur Gewalt zusammenfassend dargestellt werden.
Am klarsten lassen sich die Einstellungen zum Krieg fassen, der ein recht
fest umrissenes Konzept war und von allen Gewaltformen am ausführlichsten
thematisiert und diskutiert wurde. Auffällig ist, dass die Existenz des Krieges
dezidiert theoretisch erklärt wurde. Einigkeit bestand darin, dass er als Mittel
irdischer Herrschaft notwendig und gottgewollt war. Dennoch lässt sich jen-
seits dieser Normalität das Bedürfnis erkennen, die Dauer und das Ausmaß
der Kriege der eigenen Zeit gesondert zu erklären: Die gesellschaftliche Ord-
nung wurde als gestört empfunden. Als Kern dieser Störung wurde nicht das
übergreifende Phänomen der Gewalt angesehen, sondern dessen unrechtmä-
ßige und übermäßige Ausübung in Form von (kriegsbedingten) Plünde-
rungszügen, Aufständen und Morden, die für ein weitverbreitetes Gefühl der
Unsicherheit sorgten. Gedanklich wurden sie vor allem mit dem Bürgerkrieg
und der inneren Spaltung verknüpft, die auf dieser diskursiven Ebene deut-
lich größeren Niederschlag fanden als der (reguläre) Krieg gegen England.
Die Kriegstührung wurde generell entweder eng mit dem Adel oder dem
Rittertum assoziiert, als dessen Aufgabe der Schutz des Volkes und die Ver-
teidigung des Landes angesehen wurde, oder aber mit dem König als der
Person, die als für das Wohl des Reiches letztlich verantwortlich galt. In dem
Maß, in dem sich das Rittertum selbst als kriegerische Elite sah, stilisierten
sich der Klerus und die Bevölkerung als Opfer und kritisierten die Ritter für
ihr Versagen - insbesondere in Bezug auf den Schutz des Landes.
Der Krieg und die mit ihm einhergehende Ausübung von Gewalt hatte
aus verschiedenen Perspektiven sehr unterschiedliche Bedeutung. Den Krie-
gern und insbesondere der ritterlichen Elite galt er auf der einen Seite als
gesellschaftliche Aufgabe und damit als Existenzberechtigung; für Söldner
und andere professionalisierte Kämpfer war er als ,Beruf das Mittel zum
Lebensunterhalt. Verschiedene Gruppen von Handwerkern nutzen schließ-
lich die Möglichkeit, Profit zu machen. Auf der anderen Seite empfanden der
Klerus, königsnahe Ratgeber, Intellektuelle, Händler sowie weite Teile der
Bevölkerung den Krieg zwar als notwendig, betrachteten ihn aber wegen der
durch ihn verursachten Übel nur als zweckgebundenes Mittel zur Erlangung
des Friedens. Der Krieg konnte damit sowohl Existenzsicherung als auch
-bedrohung sein.
 
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