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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0324

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41 Formen obrigkeitlicher Gewalt

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war die Haltung zur Folter durchaus ambivalent, da man um die praktischen
Probleme der Folter bei exzessiver Anwendung wusstet
In historiographischen Quellen wird Folter zwar in einigen Fällen benannt,
meist im Rahmen von Gerichtsprozessen oder Hinrichtungen, aber kaum je
detaillierter thematisiert.^ Eine Ausnahme stellt die in vielen Quellen disku-
tierte Hinrichtung Jeans de Montaigu dar. Der Großmeister des /iOhd du rot
wurde 1409 angeklagt, als Johann Ohnefurcht nach seiner kurzfristigen Flucht
aus Paris wieder Fuß in der Hauptstadt fasste. Unter Folter gestand Jean
schließlich diverse Vergehen, von seiner Verantwortung für die Erkrankung
des Königs bis hin zu exzessiven Steuerforderungend' Am 17. Oktober wurde
er in Paris hingerichtet. Sein Geständnis erklärt Michel Pintoin mit einem
expliziten Hinweis auf seine vorherige Folterung.^ Um seine Ehre schließlich
öffentlich so weit wie möglich zu wahren, habe Jean kurz vor der Hinrichtung
auf die Wunden an seinem Körper verwiesen, um anzuzeigen, dass er gefol-
tert worden war und nur deswegen geständig seid" Wirkmächtig aber konnte
eine solche Geste nur sein, wenn allgemein an der Wahrhaftigkeit von durch
Folter erzwungenen Geständnissen gez weif eit wurde.
Die Absicht Jeans de Montaigu scheint auf gegangen zu sein, denn die
Wirkung seiner Geste spiegelt sich in einem Brief des Herzogs Ludwig von
Orleans an den König, in dem Ludwig auf den geschundenen Körper Jeans
verwies und diesen als Argument gegen die dafür Verantwortlichen nutzt.""
Der sichtbar gefolterte Körper wurde so zum Beleg eines unangemessenen
Vorgehens. Als grundsätzliche Ablehnung der Folter lässt sich Ludwigs Au-

39 1406 sah der Hof die Folter in einem Fall als üdHWidn an: Paris, AN, 15, fol. 77'; Verweis bei
Gauvard, Grace especial, S. 158.
40 Chronique des quatre premiers Valois, S. 30; Chronique dite de Jean de Venette, S. 190; Chro-
nique du Religieux, Bd. 1, S. 166 und 354—356; Bd. 4, S. 388; Monstrelet, Chronique, Bd. 2,
S. 109, Bd. 5, S. 470; Journal d un Bourgeois, S. 273f. (§529). Tracy, Torture, S. 292f., betont die
Absenz von Folterszenen in , säkularen Texten' und folgert aus den von ihr untersuchten litera-
rischen Quellen eine Ablehnung und Aversion gegenüber der Folter. Diese habe sich vor adern
gegen Frankreich gewandt, das man mit übermäßiger Folter assoziierte habe; so habe die Ab-
lehnung der Folter für vielen andere Länder (z. B. England) zur nationalen Identitätsstiftung
beigetragen. Es scheint fraglich, ob gerade eine literarische Quedengrundlage derartige Schlüs-
se ermöglicht, bzw. das Frageraster Tracys nicht selbst zu modern ist (sie selbst spricht von
„revisionistisch", S. 1). Siehe dazu van Dijk, Rez. zu Tracy, URL: [https://scholarworks.iu.edu/
dspace/bitstream/handle/2022/15496/13.04.06.html?sequence=l] (05.02.2014).
41 Dazu: Schnerb, Armagnacs, S. 133-135.
42 New CMW predida sedera JdssMS gisset, et WHMM SMH sigwassd ddencM formeMforMW, domüd regd
PHÜHWCMÜ didHMÜFMS ;'?! eMW/indem senieneMm, capifde SMppiieiMm gd/diedns esf s:dwe. Chro-
nique du Religieux, Bd. 4, S. 274.
43 Et m:diis siscifHMfiiws CMr seeiera dndi uiri non/MergnipMidiedH, ref:derM?d enm CMMdis Hssisfediiws
g/Jirmasse iormeniorMm uioiened, d WHMMS deioedas d sc rnpiMm circa pMdenda monsiraFd,
iiia con/essns ^derd, nee in dä?M0 CMipddiem dneem AMreiMnensem nee sc eciam reddeFd, nisi in
peccMMdrMM regiarnm nimd consMmpcione. Ebd., Bd. 4, S. 276. Zu den Konsequenzen eines kurz
vor der Hinrichtung mit dem Verweis auf Folter widerrufenen Geständnisses siehe Israel, Hin-
richtung, S.662-673.
44 d g/df prendre uosfre Fon d ioid seruifeMr ie gra:d mdsfre d'osiei, d tpd pardoid, d i'a/!^
emprisonner d ioMrmenier d ieiiemeni t?MC ses memFres per Jbrcc & ^Mesiion/ireni rompre per Jbrcc de
uioience d de mariire tpdii /Mi/ist S0H//rir. Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 137f. Ähnlich bei
Juvenal des Ursins, Histoire, S. 461.
 
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