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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0248
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21 Formen kollektiver Gewalt

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eine neue Erhebung provozieren wollte. Entsprechend berichten die Quellen
häufig davon, es seien nach Aufständen nur die Hauptschuldigen hingerich-
tet worden.^ Manchmal wurden diese noch in unterschiedliche Gruppen
eingeteilt, je nach individueller Verantwortung. Nach der Revolte in Rouen
1382 bildete man drei Gruppen: Diejenigen, die sich der königlichen Steuer-
erhebung wider setzt hatten, wurden zum Tode verurteilt; einer zweiten
Gruppe wurde nach einer längeren Haft die Wahl gelassen, ob sie sich durch
die Konfiskation ihrer Güter freikaufen (wofür sie sich entschieden) oder der
Justiz stellen wollte; den besonders Wohlhabenden schließlich wurde eine
hohe Strafzahlung auferlegt, wodurch sie das Gefängnis vermeiden konn-
ten.^ Einzelne Schuldige konnten auch verbannt werden;^ kollektiv wurden
Städten als Strafe ihre Privilegien entzogen sowie teils ihre Befestigungen
zerstört.^ Da Paris dem König 1382 nicht die Stadttore geöffnet hatte, wurde
anlässlich der Repression entschieden, ein Tor der östlichen Stadtmauer wei-
ter zu befestigen, damit der König immer Zugang zur Stadt habe'45 - der
Sturm auf diese BasfzHe sollte gut 400 Jahre später zum Symbol der französi-
schen Revolution werden.
Die Repression städtischer Aufstände, so kann man die Ergebnisse der
Analyse zusammenfassen, zeichnete sich durch drei Merkmale aus: (1)
Exemplarizität: Der König musste geradezu eine kleinere Gruppe als Haupt-
schuldige' bestrafen. Diese Hinrichtungen bedurften indirekt der Akzeptanz
der Bevölkerung - zumindest in Form von stillschweigender Anwesenheit.
Andernfalls drohte erneute Unruhe. (2) Öffentlichkeit: Die Bestrafung der
Hauptschuldigen' wurde in Form von öffentlichen und für alle sichtbaren
Hinrichtungen inszeniert. Die Gliedmaßen der Leichen wurden dann als
Mahnung öffentlich ausgestellt.^ Vor diesem Hintergrund erklärt sich, wa-
rum die Leichen Etienne Marcels und seiner Mitstreiter, die schon am
31. August 1358 von Pariser Bürgern ermordet worden waren, nachträglich
zur Schau gestellt wurden: Durch die öffentliche Präsentation der nackten
Leichen wurden sie von der Obrigkeit als Hauptschuldige' kenntlich ge-

f...J ceM/x, tpc/ /Hrcn/ c'Z pcMreM/ es/re ZroMues /es p/:cs coM/pa/des. Chronique des quatre premiers
Valois, S. 300. Pnncipa/Zorc's sce/encm comm/ssoncm. Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 144. Pn'ncZ-
pa/es Jäc/ZoM/s. Ebd, Bd. 1, S. 260. Pn'nci'paHX de Za aommo/Zon. Juvenal des Ursins, Histoire, S. 357.
P/MS pr/McipaM/x Jäisans ^ coMse/Z/aMS /es waM/x, reZv//io?!S e/ desoFe/ssanees. Chronique des regnes,
Bd. 3, S. 41. Siehe dazu Cohn, Lust, S. 147-154.
142 Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 252-254. Siehe dazu Cohn, Lust, S. 151.
143 Dies betraf vor allem diejenigen Ca/w/dcns, die sich 1413 durch ihre Flucht aus Paris dem
Zugriff der Armagnacs entzogen hatten, Chronique du Religieux, Bd. 5, S. 168-170; Juvenal des
Ursins, Histoire, S. 490; Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 408-410. Siehe dazu Schnerb, Armag-
nacs, S. 188-193, sowe allgemeiner Siehe dazu Cohn, Lust, S. 151f.
144 Chronique des regnes, Bd. 3, S. 41f.; Chronique des quatre premiers Valois, S. 309; Chronique
du Religieux, Bd. 1, S. 242f. Siehe dazu Merindol, Mouvement, S. 292f.; Mirot, Insurrections,
S. 179-183.
i43 Chronique des regnes, Bd. 3, S. 42. Die Grundsteine für die BasZZ/Ze wurden schon 1370 feierlich
gelegt: Ebd, Bd. 2, S. 143.
i43 Pw s/gMC de MicwoZrc'. Chronique normande de Pierre Cochon, S. 166.
 
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