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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0328
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41 Formen obrigkeitlicher Gewalt

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Fall überliefert, eigentlich eine typische Strafe für Brandstifter.^ Auch Häresie
und andere Verbrechen, die man als widernatürlich ansah (Homosexualität,
Infantizid, Zauberei), wurden mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bestraft.^
Da diese Taten kollektiv geteilte Werte bedrohten, wurde der Verurteilte
sichtbar aus der (Glaubens-)Gemeinschaft ausgeschlossen und diese durch
die Vernichtung seines Körpers von ihm und seinem Vergehen gereinigt.
Durch das Verbrennen des Körpers wurde ein christliches Begräbnis ebenso
unmöglich wie eine spätere Auferstehung/^ Der symbolische Gehalt der mit-
telalterlichen Strafriten war somit für jedermann einfach verständlich, ihr
Ablauf rituell lesbar.^ Schon diese Beispiele machen deutlich, dass Strafen
nicht nur wegen ihrer intendierten Sichtbarkeit, sondern auch wegen ihres
symbolischen Gehalts auf den Körper des zu Strafenden zielten.

Der Körper als Ziel
Die Frage nach der Bedeutung des Körpers für die mittelalterliche Strafpraxis
kann am Beispiel der Bestrafung von ,Verrätern' beantwortet werden/? Diese
war eine Summierung verschiedener Methoden der Entehrung und Bestra-
fung, die auf lange Qualen des ,Verräters' zielten und über seinen Tod hin-
ausreichten. Objekt dieses Strafritus war der Körper des Delinquenten, den es
nicht einfach zu töten, sondern öffentlich zu zerstören und zu vernichten
galt.6s
,Verräter' wurden im spätmittelalterliehen Frankreich zuerst geschleift,
das heißt kopfüber (manchmal auf einer Holzpritsche) an ein Pferd gebunden
und durch die Straßen der Stadt zur Richtstätte gezogen. Dies war eine Ver-
schärfung der entehrenden Zurschaustellung des Verurteilten, die sonst in
einem (dreckigen) Karren stattfand, mit der dieser durch die Straßen gezogen
und dem öffentlichen Gespött preisgeben wurde. Gegenüber dieser Ehren-
strafe konnte eine Schleifung bereits schwere Verletzungen hervorrufen A
Am Richtplatz wurden dann die Vergehen des Delinquenten öffentlich verle-
sen/" Auch dies war Teil der Strafe, da durch die Veröffentlichung seiner
Schuld sein Renommee bewusst zerstört wurde. Entsprechend konnte es ein
Gnadenerweis sein, dem Verurteilten das Verlesen seiner Vergehen zu erlas-

63 Zu Spiegelstrafen siehe Schubert, Räuber, S. 59f., 91,102,119f. passim.
64 Verbrennung zweier ,Zauberer' (ad a. 1403): Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 116; Verbren-
nung einer Bretonin wegen Gotteslästerung (ad a. 1430): Journal d un Bourgeois, S. 281f. (§546-
548); Verbrennung einer Frau wegen mehrfachen Infantizids (ad a. 1438): Monstrelet, Chroni-
que, Bd. 5, S. 351f. Verbrennung Jeanne d'Arcs als Häretikerin (ad a. 1431): Journal d un Bour-
geois, S. 296f. (§578); Monstrelet, Chronique, Bd. 4, S. 442-447; Journal de Fauquembergue,
Bd. 3, S. 13f.; Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 116; Chastellain, Oeuvres, Bd. 2, S. 204.
66 Zum Verbrennen: Gonthier, Chätiment, S. 163-166; zum Akt der Reinigung, ebd., S. 173-175.
66 Gauvard, Grace especial, S. 902f.; Gonthier, Chätiment, S. 184—187; Cohen, Criminal.
67 Zum Konzept des Verrats' und seinem Wandel siehe Cuttier, Law; Bellamy, Law sowie die
Beiträge in: La trahison au Moyen Age.
63 Van Eickels, Gewalt, S. 48-50; Reemtsma, Vertrauen, S. 118; Gonthier, Chätiment, S. 173-175.
69 Zur Zurschaustellung und Schleifung siehe Gonthier, Chätiment, S. 126-129, dort auch Quel-
lenbelege.
70 Gonthier, Chätiment, S. 125f.
 
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