Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]: Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich (Mittelalter-Forschungen, Ostfildern, 2014)

VI Vertiefungen:
Aspekte der Gewalt

Der detaillierte Blick auf verschiedene Formen der Gewalt hat gezeigt, wie
unterschiedlich diese von den Zeitgenossen dargestellt und gedeutet wurden.
Gleichzeitig verstellt eine solche systematisierende Analyse den Blick auf
Phänomene und Motive, die über einzelne Gewaltformen hinausgreifen. Ge-
walt wird von Menschen ausgeübt und wirkt (zumeist) auf Menschen und
ihre Körper ein. Die Auseinandersetzung der Menschen mit Gewalt ist jedoch
nicht einheitlich zu fassen, sondern von kultur- und gruppenspezifischen
Charakteristiken bestimmt. Auf der Grundlage bisheriger Erkenntnisse sollen
im folgenden Kapitel zentrale Aspekte der Gewalt vertieft analysiert werden,
die im Spannungsfeld zwischen der Ausübung von Gewalt und ihrer Darstel-
lung an gesiedelt sind.
Die Auswahl der Aspekte folgt dabei iher Signifikanz in den Quellen, etwa
der Häufigkeit der Thematisierung oder der zugeschriebenen Bedeutung. So
wird dem Töten und Sterben, dem Körper als Ursprung und Ziel von Gewalt
sowie Vorstellungen idealer und devianter Gewaltausübung in den Quellen
eine besondere Relevanz beigemessen, weswegen sie im Folgenden näher in
den Blick genommen werden sollen. Leitbild ist dabei die Exemplarizität der
Analysen und nicht der Anspruch auf vollständige Erfassung aller mit Ge-
walt verbundenen Motive.
Die Vielzahl der Gewaltschilderungen in den Quellen würde zwar die
Analyse immer neuer Beispiele ermöglichen, ein gezieltes Wiederaufgreifen
bereits thematisierter Episoden scheint mir aber zweckmäßiger zu sein: Nur
ein weiterer Blick aus einer neuen Perspektive kann die Vielschichtigkeit so-
wohl der Gewaltpraktiken als auch ihrer Darstellungsmuster aufdecken.