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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0357
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356

VI Vertiefungen

durchaus modernen soziologischen Theorien entspricht.^ Drittens schließlich,
so Christine, sei schon in der Antike darauf geachtet worden, dass die Reihen
der Krieger eng geschlossen worden seien, damit diese sich nicht ängstigten,
wenn der Gegner Kriegsschreie ausstoße. Grundsätzlich gelte mit Vegetius,
dass alle, die noch keine Erfahrung im Anblick von vergossenem Blut hatten,
wegen ihrer Furcht eher ans Fliehen als ans Kämpfen denken würden und
daher kaum von Nutzen seiend?
Diese hier theoretisch abgehandelte psychische Reaktion ist in mehreren
historiographischen Schlachtendarstellungen vor allem mit Färm verknüpft:
Es wurde immer wieder beschrieben, wie bewusst Färm verursacht wurde,
um den Gegner einzuschüchternA Auch der Erfolg dieser psychologischen
Kriegsführung lässt sich in Form von verängstigten Gegnern in chronika-
lischen Schilderungen fassend^ Als besonders effektives Mittel, den Gegner zu
entmutigen, stellt Philippe de Commynes die Artillerie dar. Der Einsatz von
Kanonen hatte sich ab der Mitte des 14. Jahrhunderts zunehmend durch-
gesetzt und war 1453 bei der Schlacht von Castillon bereits durchaus ent-
scheidend.^ Bei der Schlacht von Montlhery (1465), so Commynes, haben der
gegenseitige Kanonenbeschuss und die dadurch verursachten Opfer bei den
Kriegern jede Kampfeslust weichen lassen^ und als im selben Jahr die Trup-
pen der TzgMC Bien pnMic Paris unter Kanonenbeschuss genommen haben,
war die Angst nach Commynes größer, als die Verluste.^ Dies mag durchaus
der Intention der Heerführer entsprochen haben: Commynes' Hinweis, man
habe die Gegner durch die Macht der Artillerie verjagen wollen, lässt offen,
ob man primär auf die physische oder die psychische Wirkung der Kanonen
setzte.

46 Zu Randall Collins' Konzept der ,Vorwärtspanik' siehe Collins, Dynamik, S. 143-145.
47 Laennec, Christine, Bd. 2, S. 91 (1,24), (siehe auch: Christine de Pisan, Book of Fayttes, S. 85f.;
Christine de Pisan, Book of deeds, S. 69f.). Vgl. Vegetius, Epitoma rei militaris, S. 141 (111,10,
§9). In der Übersetzung Jeans de Meun (1284): L'art de chevalerie, S. 100f.; in der Übersetzung
Jeans de Vigany (1320): Li livres Flave Vegece, S. 85; in einer anonymen Übersetzung von 1380:
Le Livre de l'art de chevalerie, S. 102f.
48 Donf cdeuaMcdfereMf ffz encores, en wenanf graut dnuf cf en soMMHMf JbisoM de frompefes ef de fadoMrs
poHr/airc pfMS graut Mofse ef poor esdadfr feors ennewfs. Froissart, Chroniques (liv. III & IV), S. 266
(111,30) (ad a. 1385). Ff fors assemdferenf /es dafafffes, ef a f'assemdfer o:df graut Mofse tauf des fMsfrM-
wews t?Me des erfs des ensafngnes. Ebd., S. 160f. (ad a. 1364); ähnlich ebd., S. 179 (ad a. 1366).
49 Ff aM jeefer fe dasfow, foMS fes Äwgfofs /freut soMdafMeweMf MMe fres grande dMee, dowf graMdewewf
s'esweruefffereMf fes Franpds. Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 106 (ad a. 1415). Mooff esfoff wer-
uefffeMse edose ef espMawfadfe a OMfr fa des edeuaMÜ, fes erfz des dfeedfes, fe sow des arai/nes, des
eferoMS ef des erfz des ewsefMgMes. Fa Jr<!^fr ef fa wofse esfoff o:u/e de pfMS de frofs ffeMes fofwg. Chroni-
que des quatre premiers Valois, S. 54 (ad a. 1356). Zu psychologischen Aspekten der Kriegsfüh-
rung siehe Verbruggen, Art, S. 37-44.
80 Siehe dazu Liedl, Schlimme Künste; Keen, Changing scene; Schmidtchen, Kriegswesen, S. 193-
210.
84 Fsfanf aiMsi ees de:n* dafafffes rengees f'MMe deuaMf FaMfre, se ffrerewf pfMsfeMrs eoMps de canon ^Mf
fMerewf des gens d'MM eosfe ef d'aMfre. N:d ne desfroff pfMS de eowdafre. Philippe de Commynes,
Memoires, Bd. 1, S. 30 (1,4). Ähnlich auch ebd, S. 88 (11,1) zur Belagerung von Dinant durch
Karl den Kühnen (1466).
82 Je M'ai/jawafs ueM tauf ffrer poMr peM de joMrs, ear de Mosfre eosfe OM se acfendoif de fes edasser aJbree
d'arfffferfe. J...J Fa erafMfe/d pfMS grande ^Me fa perfe, de de:u eosfez, ear ff ne s'f perdff md dowwe de
Mom. Ebd., Bd. 1, S. 57 (1,9).
 
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