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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0360
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11 Töten und Sterben

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fende Respekt für herausragende Kriegstaten A Gleichzeitig konnte damit das
Heldentum über den Tod hinaus ungebrochen weitergeschrieben werdend
Dieses Ideal jedoch bekam im Wandel vom 14. zum 15. Jahrhundert Risse:
In vielen Chroniken wurden die Beschreibungen von Gewalt zunehmend
expliziter. Während etwa der .Schwarze Prinz' Edward von Woodstock bei
seinem Tod 1376 wegen seiner Erfolge (gegen Frankreich) auch von zeitge-
nössischen französischen Chronisten gefeiert wurde/? herrschte 1453 beim
Tod des englischen Heerführers John Talbot auf französischer Seite Freude
vor: Thomas Basin schildert, wie Talbot von Schützen nieder gemacht worden
sei. bevor er sich ergeben konnte. Es schien dem Chronisten gerecht, dass
Talbots Grausamkeit nun auf ihn selbst zurückfie! A Auch der von Chastellain
recht drastisch dargestellte Tod des Herzogs von Clarence in der Schlacht von
Bauge 1421 deutet auf eine neue Art der Todesdarstellung hin: Ein französi-
scher Krieger bohrte dem Herzog sein Schwert ..mehr als einen Fuß tief" in
den Bauch, woraufhin dieser ..durch diesen Stoß oder die Tritte der Pferde
um ihn herum" tot zu Boden fie! A
Ob der Wandel hin zu expliziteren Gewaltschilderungen in der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Resultat der lang andauernden und ver-
schärften Auseinandersetzung zwischen den Kriegsgegnern ist. oder einem
neuen Schreibstil entspricht, lässt sich nicht eindeutig klären.?" Da derartige
Darstellungen sich vor allem bei den burgundischen RMfontjMCMrs finden, die
für eine ausgefeilte sprachliche Ausgestaltung ihrer Chroniken stehen, halte
ich die Erklärung durch sich ändernde Stilvorlieben für plausibler. Dennoch
dürften sich die vielen gewaltsamen Auseinandersetzungen des 15. Jahrhun-
derts den RMfon^MCMrs für eine Ausschmückung geradezu angeboten haben.
Das Töten und Sterben fand in den meisten untersuchten Quellen anonym
statt.?' Ihrem Zielpublikum und ihren Schreibintentionen gemäß verzichteten
die meisten Chroniken auf explizite Darstellungen von Leid oder Schmerz
und stilisierten das Töten und Sterben vielmehr in allgemeinen Wendungen
als ..schöne Waffentaten". Die Figur des Helden wurde durch diese Waffenta-

65 Oschema. Si fut moult grande perte. S. 107f. und 115f.
66 Melville. Held, fuhrt dies beispielhaft an Jacques de Lalaing vor; siehe dazu auch Oschema. Si
fut moult grande perte. S. 113-118..
67 Froissart. Chroniques (SHF). Bd. 8/2. S. 224f. (1.773); Chronique des quatre premiers Valois.
S. 257. Deutlich nüchterner in königsnahen Chroniken: Chronique des regnes. Bd. 2. S. 181f.;
Chronographia regum francorum. Bd. 2. S. 368. Zum Aspekt der Anerkennung unter Adligen
Prietzel. Tod. S. 77.
68 Basin. Charles VII. Bd. 2. S. 198. Nüchterner in Les chroniques du Roi Charles VII. S. 390.
69 Et ep/edis t'MM SMr l'HMtre, ÜMCMM pOMr Wettre d/Ü! SOM COWpHgMOM, le dtt Owrles, pHr deSSOMS MMe
tarne, doMt ta edarMtere sc rompi/ parjbree & dorioMS, üd doMta t'espee HM ueMtre plMS d'MM pied. Et cdeit
te dit dMC de ClareMce d terre, wort de ee coMp, OM de ta waredMre des cdeuHMX per dessMS. ear OMcpMes d
fcwips ne pMt estre reseoMS. Chastellain. Oeuvres. Bd. 1. S. 225f.
70 Thomas Basin schrieb seine Chronik ab 1470 nieder. Georges Chastellain ab ca. 1450. vgl. Sa-
maran. Introduction [1933]. S. XVI. bzw. Zu Chastellain Zingel. Frankreich. S. 131f.; Kervyn de
Lettenhove. Notice. S. XXXIf.
71 Prietzel. Tod. S. 73; Oschema. Si fut moult grande perte. S. 110.
 
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