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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0361

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VI Vertiefungen

ten konstruiert, deren Opfer jedoch anonym blieben/? Der Tod ist in den
Schilderungen weitgehend absent und wird der Imagination des Lesers über-
lassen, die ritterliche Karriere scheint den Quellen zufolge wenig mit Blutver-
gießen zu tun gehabt zu haben/3 Maurice Keen sah diesen Eindruck durch
die Intention der ritterlich-adligen Chronistik bedingt, die zum Kampf moti-
vieren sollte und folglich konsequent auf die Darstellung des Kriegselends
verzichtete.^ Darstellungen des Tötens und Sterbens folgten damit einem
kulturell orientierten Normensystem, das der ritterlich-adligen Perspektive
entsprach und daher kriegerische Gewalt idealisierte und allzu lebhafte Bilder
des Todes und des Leids vermied/^ Durch Beschreibungen des Tötens und
Sterbens konnten Chronisten ihre Erzählung dramatisieren, durften diesen
Bogen aber nie überspannen: Zu explizite Schilderungen hätten den Idealen
ihrer zumeist adligen Leser widersprochen. Das Töten blieb also in Passiv-
konstruktionen verborgen, das Sterben anonym, jeglicher Schmerz wurde
ausgeblendet/6
Diese grundsätzlichen Beobachtungen müssen jedoch in zwei Punkten re-
lativiert werden: Zum einen nutzten einzelne Autoren, wie etwa Michel Pin-
toin, drastischere Darstellungen von Tod und Sterben bewusst, um ihre Leser
für Probleme des Kriegs zu sensibilisieren und mitunter Kritik an bestimmten
kriegerischen Praktiken und Idealen zu üben/? Zum anderen lässt sich bei
den burgundischen RMfon^MCMrs des späten 15. Jahrhunderts eine Tendenz
zu detaillierten und expliziten Beschreibungen ausmachen, die vermutlich
durch einen neuen Schreibstil beding ist. Als Grundregel ließe sich für die
Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts jedoch festhalten, dass je mehr Details bei
Tötungen beschrieben wurden, desto negativer war die entsprechende Episo-
de konnotiert/s

72 Prietzel, Tod, S. 79-82.
72 Oschema, Si fut moult grande perte, S. 119f.
74 Keen, Chivalry, Nobility, S. 45. Ebenso Oschema, Si fut moult grande perte, S. 108 und 119f.
Dagegen Schneidmüller, Grenzerfahrung, S. 262.
72 Vgl. dazu Prietzel, Tod, S. 90f.; Oschema, Si fut moult grande perte, S. 108f.
76 Prietzel, Tod, S. 89f.
77 Ebd., S. 75f.
72 Dies scheint allerdings in literarischen Texten, v.a. Ritterromanen, und womöglich auch in
Miniaturen anders zu sein, vgl. Kortüm, Kriege, S. 213f. Zu (negativen) Gewaltbeschreibungen
in der Chronistik: Ebd., S. 213 und 217f. Zu Beschreibungen exzessiver Gewalt barbarischer
Anderer': Baraz, Violence, S. 167-179.
 
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