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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0376
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21 Körper und Körperlichkeit

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rung zulief, der französische König sei im Recht und die Engländer im Un-
rechte
Der Blutrausch als Kennzeichen der ,barbarischen Anderen' tritt als Narra-
tiv häufiger auf. Exemplarisch können zwei Passagen aus der Chronik Michel
Pintoins zeigen, wie der Chronist gezielt das Bild des ,Blutbads' in seine Be-
richte einbaute. Ausgangspunkt der Analyse sind die Massaker, die fanati-
sierte Bourguignons 1418 in Paris an bereits inhaftierten Armagnacs verübten
(vgl. dazu Kap. IV.2.2). Pintoin beschreibt, wie die Pariser nach dem Massaker
am ganzen Körper mit Blut bespritzt waren und bis zu den Knöcheln im Blut
ihrer Opfer standen A Dieses Bild erinnert an die Schilderungen der Erobe-
rung ferusalems 1099, bei der die christlichen Kreuzfahrer bis zu den Knö-
cheln (manchen Autoren zufolge auch bis zu den Knien) im Blut der Muslime
gewatet sein sollenA Diesen Bezug nimmt Pintoin noch deutlicher auf, indem
er darauf verweist, dass eine solche Grausamkeit sogar Sarazenen erschreckt
hätte.
Neben dem Massaker von 1418 gibt es eine weitere Stelle in der Chronik
Michel Pintoins, die noch deutlicher Bezüge zum Massaker in ferusalem auf-
weist: In seiner Schilderung der Schlacht von Nikopolis 1396, nach der Sultan
Bajezid I. viele der christlichen Gefangenen hinrichten ließ, zitiert Pintoin
stellenweise wörtlich den Bericht Wilhelms von Tyrus über die Einnahme
ferusalems 10997° Wilhelm von Tyrus galt das Blutbad, welches die Christen
in ferusalem anrichteten, als gerechtes Urteil Gottes, durch das die entweihten
heiligen Stätten nun mit dem Blut ihrer Schänder gereinigt würden (propnt
cntons ü/ereni)7' Pintoin schilderte parallel dazu, dass die christlichen Gefan-
gen nun durch die Sühne des eigenen Blutes ihre Sünden reinigten (sangM/ne
proprio exp/annd).^ Wilhelm berichtet weiter, es sei schrecklich anzusehen
gewesen, wie die Straßen ferusalems mit Toten über sät und mit Blut bedeckt
waren. Neben den verstümmelten Leichen und abgeschlagenen Köpfen sei es
aber noch schrecklicher gewesen, dass die Sieger selbst von Kopf bis Fuß mit

L'honneur de la couronne, S. 68 (Debets et gppoiMteweMts).
68 Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 246-248, Textzitat in Anm. 215.
69 IMpMe tdis occisioA^it, Mt Mostri in SHMgMiMe iiiorMW pedes MspMe ad CHMiÜHS mitterent. Gesta franco-
rum, S. 91. Sed tHMtMW SM^'od, pMod in tempio et porticM SaiowoMis epMitdwtMr in SHMgMiMe ad geMMH,
et MspMe ad /renos ctpforHWi. Le Uber de Raymond d'Aguilers, S. 150. Horror erat &MipMe cesorMW
iMtMeri WMititMdiMem et imwMMorMm HrtMMW passim coMspicere et ep*Msi sangMiMis aspergiwe
CMMctam redMMdare SMpeAriem, nee soiMM defMMdorMM corpore memMs pottortt^MS iacera et aAcisis
mMtiiata capit;TMS iMtMeMt;TMS erat angMstia, uerMW et ipsos uictores a piawta pedis MspMe ad uerticem
crMore madewtes pericMiosMm erat cowspicere et dorrorem pMeMdam ipAredawt occMrreMtidMS. Willelmus
Tyrensis Archiepiscopi, Chronicon, Bd. 1, S. 412 (VIII,20). Siehe dazu Kedar, Jerusalem Mas-
sacre; Elm, Eroberung, bes. S. 37-40; Angenendt, Toleranz, S. 424-427.
70 Guenee, Echo, wies bereits aul die Rezeption Wilhelms von Tyrus durch Michel Pintoin hin,
beschränkte sich dabei aber auf die Prologe beider Chroniken.
71 iMstopMe die iMdicio id certMM est accidisse, Mt pMi SMpersticiosis ritidMS domiwi sawctMariMm propdawa-
uerMMt et/Hedtws popMÜs reddiderawt aiieMMm, id proprii crMoris iMerewt dispewdio et morte iMterue-
ro'ente ptgcMHre sotoerent /ZagiciHWi. Willelmus Tyrensis Archiepiscopi, Chronicon, Bd. 1, S. 412
(VIII,20).
77 Lfude speraMdMm Modis est, pMod pMicpMid, dMmaMa aMt proprd iwipMitate SMgereMtidMS, tu
ipsMm comwdserHMt, saMgMiwe proprio expiarMMt, sic in cop/essioMe/Hei odeMMtes. Chronique du Reli-
gieux, Bd. 2, S. 518.
 
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