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Durrer, Antonia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Kreuzfahrerherrschaften des 12. und 13. Jahrhunderts zwischen Integration und Segregation: zeitgenössische und moderne Stimmen im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 51: Ostfildern, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.44634#0012
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Einleitung

Der amerikanische Historiker John L. LaMonte kam 1940 in einem Aufsatz
über die Kreuzzugshistoriographie zu folgendem Ergebnis: The problem of the
relations of the Franks to their Moslem neighbors, to their subject native populations,
and to their Byzantine and Armenian allies (...) have stimulated several scholars, with
the result that the researches of Prutz, Rey, Munro, Duncalf, and Cahen have, it
would seem to me, almost exhausted the subject.1 Er sprach damit einen der kont-
roversesten Bereiche der Kreuzzugsforschung seit der Mitte des 19. Jahrhun-
derts an, der nicht nur Historiker, sondern auch Islamwissenschaftler, Religi-
onswissenschaftler und Kunsthistoriker bis zum heutigen Tag intensiv be-
schäftigt: die Frage des Zusammenlebens der unterschiedlichen Bevölke-
rungsgruppen im syrisch-palästinensischen Raum nach der Eroberung grosser
Teile dieser Gebiete durch die Kreuzfahrer im 12. und 13. Jahrhundert. Die
wichtige Rolle, die die Forschung der Frage der Beziehungen dieser Gesell-
schaftsgruppen untereinander bis heute beimisst, zeigt sich darin, dass neuere
Gesamtdarstellungen zu den Kreuzzügen sowohl in französischer, englischer
als auch deutscher Sprache die Problematik der religiösen Vielfalt der Kreuz-
fahrerherrschaften jeweils gesondert behandeln.2 Verstärkt wird die Bedeu-
tung dieses Themas durch die gegenwärtige politisch und emotional stark
aufgeladene Situation im Nahen Osten. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände,
der sogenannte Islamische Staat (IS) und die damit einhergehende fragile Situ-
ation der religiösen Minderheiten in der Region beherrschen tagtäglich die
Schlagzeilen. John L. LaMonte hat sich jedoch mit seiner anfangs zitierten
Aussage, dieses Forschungsgebiet als ausgeschöpft zu bezeichnen, gründlich
getäuscht, denn die einflussreichsten Werke zu diesem Thema sollten erst
noch erscheinen, unterschiedliche Deutungsmuster aufgestellt werden und ei-
ne Debatte zum Zusammenleben respektive Mc/z t-Zusammenleben der Bevöl-
kerungsgruppen in dieser Region auslösen, die bis zum heutigen Tag die
Kreuzzugsforschung dominiert.

1 LaMONTE, John L., „Some Problems in Crusading Historiography", in: Speculum 15 (1940),
S. 57-75, hier S. 72.
2 Vgl. JASPERT, Nikolas, Die Kreuzzüge (Geschichte kompakt), Darmstadt 2003, S. 90-99;
DEMURGER, Alain, Croisades et croises au moyen äge, Paris 2006, S. 267-280; BALARD,
Michel, Les Latins en Orient (Xe - XVe siede), Paris 2006, S. 93-102; TYERMAN, Christopher,
God's War: A New History of the Crusades, Cambridge Mass. 2006, S. 225-240; PHILLIPS,
Jonathan, Holy Warriors: A Modern History of the Crusades, New York 2009, S. 29-50; AS-
BRIDGE, Thomas, Die Kreuzzüge, Stuttgart 2010, S. 193-210.
 
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