Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0192
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III.2 Personelle Aspekte

191

Wurde drittens eine Abreise und deren Reiseweg und/oder Zielort bekannt,
wusste Damiani auch diese Gelegenheit zu nutzen und rief einen Schreiber zu
sich. Der nun entstehende Brief habe zwar nichts Neues zu berichten - schließlich
hätten der Adressat und Damiani die letzten Wochen zusammen verbracht und
bereits alles Nötige von Angesicht zu Angesicht besprochen - dennoch dürfe die
günstige Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen.1082 Auch in diesem Fall
funktionalisierte er den abreisenden Boten als Argument für die Beendigung des
Briefes, indem er anführt, dass dessen Unfertigkeit noch die Abreise aufzuhalten
drohe.1083
Für den epistolaren Fernverkehr bediente Damiani sich viertens seiner ein-
flussreichen Adressaten: Beispielsweise legte er seinem Brief an diese ein wei-
terzuleitendes Schreiben bei und bat um dessen Mitnahme, sobald jemand in die
entsprechende Gegend abreisen würde.1084 Dadurch gab der Eremit die Kon-
trolle über den Kommunikationsprozess völlig aus der Hand, konnte er doch
weder wissen, ob oder wann eine solche Person abgehen würde, noch ob die
Adressaten zur Weiterleitung bereit waren oder den Brief gar öffnen und lesen
würden. Wichtige und/oder vertrauliche Botschaften konnten auf diesem Wege
keinesfalls verlässlich befördert werden. Es überrascht daher nicht, wenn der
beigelegte Brief - in diesem Fall an Kaiserin Agnes - eher zu den Erörterungen
und nicht zu den zeitlich begrenzt bedeutsamen Nachrichten zu rechnen ist.1085
Außerdem verlangte Damiani keineswegs die Beförderung durch einen nuntius
o.A., sondern ließ den Charakter des künftigen Beförderers völlig offen und
maximierte dadurch die Chance zur baldigen Übermittlung seiner Epistel.
Boten dienten schließlich fünftens als Folie, gegen die sein eigenes Befinden
umso besser zur Geltung gebracht werden konnte.1086
Diese Punkte belegen, dass Boten nicht nur als zentraler struktureller Teil des
Übermittlungsprozesses fungierten, sondern darüber hinaus inhaltliche Be-
deutung erhielten. Ihr Vorhandensein, ihre Verlässlichkeit und ihr Verhalten
beeinflussten Häufigkeit, Umfang, Inhalt und Argumentation der damianischen
Briefe. Nichtsdestotrotz galt ihm der persönliche Austausch von Angesicht zu
Angesicht als in weit höherem Maße bindend als die Korrespondenz via Bo-
ten1087, die zumindest in seinem Falle einen äußerst verlässlichen Eindruck
macht: Der sonst so kritische Eremit erwähnt nicht ein einziges Mal untreue
Boten, verlorengegangene Briefe oder sonstige Probleme.

1082 Ders., Briefe 4, Nr. 159 an Desiderius von Montecassino.
1083 Ähnlich in ders., Briefe 2, Nr. 45, S. 39, Z. 24-26; Briefe 3, Nr. 99, S. 10, Z. 19f.
1084 Ders., Briefe 3, Nr. 148, S. 546, Z. 14-16.
1085 Es handelt sich nach einhelliger Meinung vermutlich um ebd., Nr. 149.
1086 Ebd., Nr. 96, S. 47, Z. lf.: Ein mürrischer, unzufriedener Priester habe Damiani einen päpstlichen
Brief überbracht, den dieser mit Freude entgegennahm, küsste und hastig las. S. 60, Z. 21 - S. 61,
Z. 4: Der Bote, welcher Damiani von seiner bischöflichen Entlassung unterrichtete, habe die
päpstliche Entscheidung kritisiert und Mitleid für Damiani gezeigt, während dieser nach kurzer
Überlegung den lang erwarteten Schritt begrüßt habe und froh gewesen sei.
1087 Ders., Briefe 1, Nr. 10, S. 128, Z. 16f.: „Miror, dilectissimefrater, cur ad heremum, sicut promiseras, non
venisti, immo quod mecum non per nuntium, sed per sponsionem propriae fidei pepigeras, non implesti."
 
Annotationen