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Jostkleigrewe, Georg; Westfälische Wilhelms-Universität Münster [Mitarb.]; Jan Thorbecke Verlag [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Monarchischer Staat und 'Société politique': politische Interaktion und staatliche Verdichtung im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 56: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.54857#0421
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420

7. Die Kohäsion der Gesellschaft: Konsenskommunikationen

auf Mitwirkung an der Tagespolitik des Königtums verfolgen auch die höchst-
rangigen fürstlichen und baronialen Akteure in der Regel aber nicht363 - und
halten so die Kosten konsensualer Herrschaftspartizipation auf einem tragbaren
Niveau.
Solange die wechselseitige Anerkennung von Geltungsansprüchen inner-
halb der französischen politischen Gesellschaft grundsätzlich gesichert ist,
können strittige Sachfragen daher im anderenfalls hochproblematischen juris-
tisch-administrativen Modus bearbeitet werden, ohne den Bruch der Kohäsion
zu provozieren. Im Blick auf das Fällen von Sachentscheidungen erscheint das
französische Königreich daher ,moderner' als in anderen Hinsichten. Sachbe-
zogene Entscheidungsprozesse finden weitgehend in dem Rahmen statt, der
durch die Institutionen des monarchischen Staates vorgegeben wird, und sie
erfolgen in der Regel auch in deren juristischem Betriebsmodus. Wie wir oben
gesehen haben, bedeutet dies nicht, daß das Königtum die anstehenden Ent-
scheidungen diktieren könnte; die angeführten Beispiele unterstreichen viel-
mehr nachdrücklich, wie unangemessen eine solche absolutistische' Deutung
der spätmittelalterlichen Monarchie wäre364. Aber die beobachteten Entschei-
dungsprozesse in ihrer ,modernen', juristisch-administrativen Prägung weisen
Züge auf, die das französische Königreich in seiner als absolutistisch' bezeich-
neten späteren Phase wohl auch in anderen Bereichen kennzeichnen - die Züge
einer zwar nicht konstitutionell, wohl aber jurisdiktionell beschränkten kon-
sultativen Monarchie.

363 Wo die Forschung dennoch nach den politischen Präferenzen einzelner Akteure im Bereich der
,gesamtfranzösischen' Politik gefragt hat, sind die Ergebnisse deshalb bisweilen widersprüch-
lich. So haben wir oben, Kapitel 6.4, S. 335 f., z. B. gesehen, daß Raymond Cazelles den Bruch
zwischen Johann II. und den Evreux-Navarra darauf zurückführt, daß letztere an einer stärkeren
Kooperation mit dem englischen Königtum interessiert waren, während Frangoise Autrand auf
der Grundlage der gleichen Quellen vermutet, daß der Bruch gerade auf ihre Opposition gegen
eine allzu nachgiebige Haltung des Königs gegenüber seinem englischen Konkurrenten zu-
rückgeht.
364 Vgl. dazu oben Kapitel 7.4.2.
 
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