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Berger, Maximiliane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Westfälische Wilhelms-Universität Münster [Contr.]
Der opake Herrscher: politisches Entscheiden am Hof Friedrichs III. (1440-1486) — Mittelalter-Forschungen, Band 66: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2020

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62113#0019
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10

I. Eröffnung

verstanden, die „nur geringe Spielräume für eigene Entscheidungen oder gar für
Neuerungen"39 ließen. Der souveräne Entscheidungsspielraum des Herrschers
steht im Vordergrund. Recht und Gewohnheit kommen von außen; ihr Einsatz
wird mit dem „eigenen" Handeln des Kaisers kontrastiert. Definiert Friedrich III.
selbst die Modalitäten politischen Handelns, favorisiert er das persönliche Re-
giment und lässt allenfalls eine Beteiligung der „engsten Vertrauten und [der]
ihm eigens eidlich verpflichteten Personen"40 zu. Diese Gruppe schart sich um
den Herrscher als Quell der Entscheidungen und ist nach außen anerkannterma-
ßen undurchschaubar: „Durch die Suche nach direkten Zugängen zum Kaiser
stärkten die Impetranten dieses mit dem Ratshandeln konkurrierende Modell
höfischer Entscheidungen durch den Herrscher persönlich."41 Damit wird deut-
lich, dass der Rat des Kaisers im Ernstfall als von diesem lenkbar und tatsäch-
lich gesteuert wahrgenommen werden muss42. Letzte Entscheidungsinstanz ist
Friedrich III. - und er will es auch sein. Sein politisches Handeln ist Entscheiden.
Dieser Eindruck fußt wesentlich auf der Auffassung herrscherlicher Urkunden
als Entscheidungskommunikation. Die aktive Lenkung der Reichspolitik und
die Wahrung „größtmögliche[r] Entscheidungskompetenz" fand durch Ausfer-
tigung „zahlreiche [r] Diplome und Mandate"43 statt. Schon die Masse der Di-
plome und Mandate Friedrichs III. macht ihn heute zum Erzentscheider.
Ist der Kaiser ein Entscheider, wird sein Hof zum „Zentrum politischer Ent-
scheidungen"44, „politische[n] Entscheidungszentrum und Machttheater"45, so-
wie zur „höchste[n] Entscheidungs- und Legitimationsinstanz"46. Doch in wel-
cher Weise ist der Hof Friedrichs III. ein Entscheidungszentrum? Ist der Befund
so zu verstehen, dass dort unentwegt entschieden wird und entschieden werden
soll?

39 Heinig, Kaiser Friedrich III. (1440-1493): Hof, Regierung und Politik (wie Anm. 14), 848.
40 Ebd., 1321.
41 Ebd., 153.
42 Reinle, Ulrich Riederer (ca. 1406-1462): Gelehrter Rat im Dienste Kaiser Friedrichs III. (wie Anm.
26), 267-268.
43 Wolf, Die Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians (1486-1493) (wie Anm.
38), 14.
44 Noflatscher, Räte und Herrscher: Politische Eliten an den Habsburgerhöfen der österreichischen
Länder 1480-1530 (wie Anm. 36), 9.
45 Werner Paravicini, Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters. (Enzyklopädie deutscher Ge-
schichte, Bd. 32.) München 2011, 66. Andernorts benennt Paravicini als fünf Grundfunktionen
des Herrscherhofes die Organisation des täglichen Lebens, die Organisation von Zugang und
Sicherheit, die Pflege und Erhöhung des herrscherlichen Prestiges, die Neutralisierung und In-
tegration von Machteliten, sowie Regierung und Verwaltung, wobei letztere anders als nach
heutiger Annahme nicht unbedingt Ziel und Voraussetzung des Hofdaseins bilden: Werner Pa-
ravicini, Alltag bei Hofe, in: Werner Paravicini (Hrsg.), Alltag bei Hofe. (Residenzenforschung,
Bd. 5.) Sigmaringen 1995,9-30. Das Entscheiden wäre in Regierung und Verwaltung zu suchen,
muss aber offenbar nicht extra genannt werden.
46 Karl-Friedrich Krieger, Der Hof Kaiser Friedrichs III. - von außen gesehen, in: Peter Moraw
(Hrsg.), Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter. (Vorträge und
Forschungen, Bd. 48.) Stuttgart 2002,163-190,167.
 
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