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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 2.1873-1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.5783#0002
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Der Altar des h. Ildefonso.

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lienischen Malern der Blüthezeit legen noch
jetzt eine beträchtliche Anzahl von Copien
in Oel und Kreide Zeugniss ab, obgleich
nur ein kleiner Theil derselben auf uns ge-
kommen ist. Sein malerischer Sinn mul'ste
zuerst und zumeist von der venetianischen
Schule, vor Allen von Tizian angezogen
werden; neben ihnen waren es Correggio,
Micchelangelo , Lionardo, Raffael, welchen
vornehmlich seine Studien galten. Wie lehr
es ihm Bedürfniss war, Meiiterwerke der Re-
nailsance wie der Antike als Vorbilder stets
um sich zu haben, dasür zeugt auch der Eiser,
mit welchem er grossartige Sammlungen der-
selben zusammenbrachte.
Selbstverständlich ist es, dass auch das
noch einmal erwachte rege Kunstleben Itah'ens
ihn lebhaft interessirte, dass er den Kampf
der akademischen Schule der Caracci und
des Naturalismus eines Caravaggio gegen den'
todten Manierismus der Nachahmer Micchel-
angelo's in Rom nicht nur mit durchlebte,
sondern auch innerlich mit durchkämpfte und
die Eigenthümlichkeiten der hervorragendsten
Künstler auf lieh einwirken liess. Davon, wie
überhaupt von dem Einssulse und dem Gange
seiner Studien und von seiner eigenthüm-
lichen Entwicklung geben uns die Gemälde
Zeugniss, welche Rubens während seines
Ausenthaltes in Italien gemalt hat; denn ohne
eigene schöpserische Thätigkeit konnte ein so
phantasievoller Geist nicht auf längere Zeit
bleiben. Italien beützt aus dieser Zeit von
der Hand des Künltlers noch drei grosse
Altarwerke: in Mantua, Genua und Rom;
weniger umfangreiche Gemälde finden sich
namentlich in den Privatsammlungen Roms;
Anderes ist zu Grunde gegangen, Manches
jetzt in europäischen Galerien zerstreut.
Je länger der Künstler in Italien blieb,
desto mehr verbreitete lieh sein Ruf, destomehr
wurde seine Thätigkeit in Anspruch genom-
men und wurde er an das Künlllerleben
Roms gewöhnt, wo er seit dem Jahre i6o5
fast ohne Unterbrechung lebte. Es scheint,
Rubens hatte nicht die Absicht, Italien wie-
der zu verladen, zumal er bereits seit dem
erden Jahre seines Aufenthaltes eine Austei-
lung als Hofmaler beim Herzog Vincenz I.
von Mantua angenommen hatte. Da rief eine
unerwartete Nachricht ihn nach den Nieder-

i landen zurück: seine Mutter lag schwer er-
krankt in Antwerpen. In wenigen Worten
theilt er seinem Gönner Chieppio, dem Se-
cretär des Herzogs von Mantua, die Not-
wendigkeit seiner Abreise mit, verspricht bal-
dige Rückkehr und reist am 28. October
1608 in grössester Eile seiner Heimalh zu.
Doch sein Wunseh, die geliebte Mutter noch
wiederzusehen, diese bewunderungswürdige
Frau, die mit fettem aber selbstlosem Cha-
rakter tiefes Gemüth und ungewöhnliche
Bildung verband, sollte ihm nicht ersüllt wer-
den : de war bereits vor seiner Abreise der
Krankheit erlegen. Von tiesem Schmerz er-
grissen verschloss er sich in das Klosler St.
Michael, in welchem (ie beltattet war, um
hier Trost und Fällung zu gewinnen.
Doch seine Einsamkeit konnte nicht lange
ungeltört bleiben: die Verwandten, die
Freunde suchten ihn auf, um ihn zu trollen,
um ihn wiederzusehen. Es musste Allen am
Herzen liegen, ihn der Heimath wieder zu
gewinnen. Auch der Regent der Niederlande,
Erzherzog Albert, iüchte daraus mit allen
Mitteln hinzuwirken. Schon vor Rubens' Ab-
reise nach Italien hatte der Erzherzog den
jungen Künstler sich vorstellen laden; von
ihm erhielt dieser in Italien den erlten Aus-
trag (iboi) zu einem grossen Altarwerke sür
eine Kirche Roms; der Erzherzog hatte lieh
sogar im Jahre 1607 direct an den Herzog
! von Mantua gewandt, um von ihm als
„Lehnsherr" des Künltlers desien Rückkehr
in die Heimath zu erwirken. Jetzt war der
günstige Moment gekommen: den Austrag,
das Portrait des Fürlten und das seiner Gat-
tin anzufertigen, konnte der Künstler nicht
wohl ablehnen. Doch es bedurste einer
grossen Aufgabe, um ihn vorläufig aus län-
gere Zeit und damit womöglich für immer
wiederzugewinnen, und diese wusste der Erz-
herzog zur rechten Zeit zu finden: als Vor-
steher des von ihm selblt begründetene Ordens
des heiligen Ildesonso beaustragte er Rubens
mit der Ansertigung eines umsangreichen
Altarbildes sür den Hauptaltar der Kirche
dieser Brüderschaft in Brülsel. Der Künstler
ging auf ■ dielen ehrenvollen Austrag ein;
Zimmer im Palalle des Statthalters wurden
ihm zu seiner Arbeit eingeräumt, und nach
Verlaus von mehreren Monaten hatte er sich
 
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