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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.4072#0007
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Muchas einzig da. Der Calendrier Maggi gibt ein voll-
endetes Beispiel zur wichtigen Lehre vom Gleichgewicht
der leeren und ausgefüllten Partien in decorativen Com-
positionen und zeigt zugleich durch die Behandlung des
modernen Costümes, dass es unter dem Stift eines wirk-
lichen Künstlers ebenso decorativ wirken kann wie irgend
eine mittelalterliche Maskerade.

Die Umschläge von Publikationen sind, dank den
Schaufenstern der Buchhändler, fast ebenso berühmt, wie
die Affichen: die Muse, die eine Feder aus dem Flügel des
Pegasus zieht, mit einer Geste den Beschauer auffordernd,
ein gleiches zu thun, gehört zum Journal La Plume, das
sich während des Jahres 1897 ausschliesslich in den Dienst
Muchas gestellt hat; der Umschlag der Weihnachtsnummer
1896 der Illustration, der auf die von Grasset und Car-
los Schwabe folgte, fiel gegen jene nicht ab; man erinnert
sich der räthselhaften Frauen von assyrischem Ansehen,
die lebensprühende, leuchtende, das Neujahr, reich ge-
schmückt ins Leben tretend, und daneben der bläuliche
schaurige Leichnam, das alte Jahr. Die Ausstellung ent-
hielt wundervolle Vorstudien zu dieser reichen Compo-
sition, bei denen derjenige, der genau zu schauen versteht,

Entwurf für ein Piakai Von A. Mucha

unverkennbare Spuren, und zwar nicht hier allein, des
Wienerischen Geschmackes bei Mucha entdecken konnte.
Das berühmteste unter den Pvlenus und Programmen
ist abermals das für den Empfangstag von Sarah Bern-
hardt! Mucha hatte auch allen Grund, derjenigen ganz
besonders zu gedenken, der er seine beste Inspiration
und seine ersten Triumphe verdankt. Im Gegensatz hiezu
sind unter den Gelegenheitsblättern einige der Erinne-
rungskarten für den König und die Königin von Neapel
von einer Erhabenheit im Entwurf, dass ihnen in einer
Geschichte der religiösen Kunst unseres Jahrhunderts ein
Ehrenplatz gebührt.

Von den decorativen Panneaux möchte ich ebenfalls
sagen, dass sie so nur von einem Künstler entworfen
werden konnten, der in Wien gelebt hat. Fast wäre ich
versucht, sie als eine Art Makart zu bezeichnen, nur dem
Geschmack der Pariser und dem Ende des Jahrhunderts
angepasst. Das meiste Lob gebührt nach meiner Meinung
den Glasgemälden; hier finden wir grosse heroische und
mittelalterliche Compositionen, schlicht, ohne Überladung,
weder gesucht noch gezwungen. Ein wahrhaft heroischer
Hauch weht in Roland ä Roncevaux, sowie im
Entree de Jeanne d'Arc ä Orleans, wo sich
der Künstler die Bizarrerie gestattete, die ganze
Scene im Rücken zu zeigen. Der schönste aber
von allen diesen Cartons ist die Skizze Sainte
Barbe, wo die blitzartige Erscheinung des Engels
vor der in Extase versetzten, von ihren Marter-
instrumenten umgebenen Heiligen in Bewegung
und Schwung einem Tiepolo gleichkommt.

Was seine ersten Illustrationen betrifft, so
zeigen sie uns einen ganz anderen Mucha. Man
erkennt in ihnen zugleich den Tschechen, der an
die grossen historischen Compositionen eines
Manesch, Brozik und Alesch gewöhnt ist, und den
Schüler aus dem Atelier Jean Paul Laurens. Die
lb Compositionen, ausgeführt für Scenes et
Episodes de l'histoire d'Allemagne von
Charles Seignobos, verlegt bei Armand Colin,
stellen uns mit einem Schlage einem Gelehrten
gegenüber, der eine starke Empfindung für das
Dramatische hat. Wir empfehlen einen Vergleich
zwischen seinem Fenstersturz in Prag und
dem von Brozik; er fällt ganz zu Muchas Gunsten
aus. Die Jagd auf der Martinswand wird in
allen österreichischen Herzen eine Saite erklingen
machen, und gewiss nicht allein deshalb, weil
die schwindelerregenden Bergabhänge und die
grünen, tiefen Thalgründe von Tirol auf sie einen
ganz besonderen Zauber ausüben. Es lohnte sich
schliesslich auch, auf die 44 Compositionen, die
der Gesellschaft für Verlag und Buchhandel
Furne et Cie. gehören, einzugehen, ebenso auf das
erste Werk Muchas, die Illustrationen zu den
Adamiten von Svatopluk Cech, die in Prag
erschienen sind, aber es drängt uns zu seinem
 
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