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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.4072#0012
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1898.

Nr. 2

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DIESE

MITTHEILUNGEN

ERSCHEINEN ALS

REGELMÄSSIGE BEILAGEN

ZU DEN

GRAPHISCHEN
KÜNSTEN

VIERMAL IM JAHRE.

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SASCHA SCHNEIDER.

(Meisterwerke der Holzschneidekunst. Neue Folge, Heft 3. '1. Auflage und Supplement.) Leipzig, J. J. Weber.

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Seit sich das allgemeine Interesse den illegitimen
Kindern der Kunst-Akademien zugewendet, hat die Über-
zeugung immer mehr Boden gewonnen, dass die Zukunft
unseres Kunstlehens abseits der strengen Tradition und
approbirten Lehre zu suchen ist. Wohl sträubt sich noch
Mancher gegen die moderne Kunst, denn die Gewohnheit
ist eine mächtige Fessel, zumal sie sich gerne in die
täuschende Maske der Principientreue und des Festhaltens
an ewigen Gesetzen hüllt. Aber der vor kurzem noch so
heftige Kampf hat bereits die Form der müden Abwehr
angenommen, während die moderne Kunst einen Bundes-
genossen besitzt, mächtiger als alle eingebildete Unfehl-
barkeit: die moderne Cultur. Die moderne Cultur, die die
ältesten Axiome von neuem prüft, nichts mehr auf Treu
und Glauben hinnehmen will und speciell in der Kunst
zunächst nur den stark empfindenden, modernen Menschen
sucht. Dadurch gewinnt diese Kunst immer mehr an Tiefe
des Gehalts, aber es ist zuweilen nicht leicht, sie zu
gemessen und zu verstehen. Das macht sie Vielen un-
bequem. Kein ästhetisches Schema, und wäre es auch
neuesten Zuschnitts, passt für mehr als einen Mann,
denn auch der Einzelne ist periodischen Wandlungen
unterworfen. Jeder von den modernen Künstlern, immer
vorausgesetzt, dass er es nicht nur dem Namen nach ist,
will mit besonderem Masse gemessen werden. Dieses
Mass aber muss der Beschauer aus eigener Empfindung
und Erkenntnis holen. Kein Kritiker gibt es ihm an die
Hand, denn die Kritik hat längst den Athem verloren bei
diesem gewaltigen Vorwärtsstürmen. Sie führt nicht
mehr, sondern wird geführt. Bis sie zu Worte kommt,
haben Künstler und Publicum sich meist schon gefunden.

So war es in den letzten Jahren wiederholt der
Fall. Eines der markantesten Beispiele hiefür bietet
Sascha Schneider. Unvermittelt trat sein Name vor
die Öffentlichkeit und überraschend schnell fand sein
Talent allgemeine Anerkennung. Dabei war seine Kunst
eine solche, die die Menge für sich zu interessiren suchte,
die sich in erster Linie an ein Publicum wandte, bei dem
eine Kunstkennerschaft im herkömmlichen Sinne nicht
vorausgesetzt wird, an die Gebildeten im Allgemeinen.
Seine Blätter verlockten solche, die gewohnt sind an
der Kunst gleichgiltig vorüber zu gehen, Kunstgedanken
zu hegen. Die Fremdlinge im Reiche der Kunst fanden
etwas, das auch sie im Innersten berührte, für das auch
sie, die bisher belächelten Ignoranten in der Kunst-
gefebicbte, Verständnis und Empfindung hatten. Das war
ein Erfolg wie selten einer, denn er bedeutet einen
weiteren Schritt zu dem Ziele, das Jeder herbei sehnt,
zur Begründung einer Kunst, die eine Kunst für
Alle ist.

Die 18 Blätter der vorliegenden Publication führen
uns nebst einigen bereits bekannten Compositionen eine
Reihe von neuen Arbeiten vor, die uns den Künstler
in der eingeschlagenen Richtung emsig fortschreitend
zeigen. Dieselbe Tiefe und Originalität der Auftaffung,
welche sich bereits in den früheren Werken, wie in Judas
Ischariot, Gefühl der Abhängigkeit, Der Anarchist
zu erkennen gaben, zeichnet auch die neuen aus. Vor
allem sind es religiöse Motive, die Schneiders Phantasie
erfüllen oder vielmehr seine Gestaltungskraft, der die
grössten Probleme des Daseins die liebsten sind, findet in
allgemein verständlichen religiösen Vorstellungen das
 
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