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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.4072#0010
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Unterdessen war das künstlerische Wesen Ungers
durch etwas Grosses, Gleiches in ihm Erzeugendes, ge-
fesselt worden, etwas, dessen Gipfelpunkt das grosse Wort:
Rembrandtbildet, etwas das an die feinnuancirtestenLicht-
wirkungen, an brennendes, breitflutendes Licht, sanft
gleitende Schatten denken lässt. Unger war als Sohn eines
bedeutenden Kunsthistorikers etwas objeetiver, weit-
schauender geartet als seine künstlerischen Zeitgenossen,
die nur ihre Kunst sehen und ausüben wollten. Er dürstete
nach Farbe. Sein Glück in jener Zeit bildete die Gründung
der Zeitschrift für bildende Kunst, ein Werk des jetzt
todten Carl von Lützow. Wer die Bände dieser Zeitschrift
durchblättert, der sieht Unger sich entfalten, er bewundert
den Werdegang einer individuellen Künstlernatur, der
doppelt schwer war. Musste er doch seine starke In-
dividualität ausbilden durch das Medium einer Technik,
die halbvergessen war. Aber die Kraft, die er aufwenden
musste, ward auch dadurch gefestigt und sie wuchs. Die
Meisterwerke der Braun Schweiger, der Cas seier, der
Harlemer und Amsterdamer Galerie wählte sein
Griffel zur Nachbildung auf der Scala von Schwarz zu
Weiss. Wie viel unzählbar fein und zart abgestufte
Nuancirungen fand er in ihr! Und immer reifer ward sein
Schaffen. Glänzende Etappen auf dem weiten Wege sind
das Wiener Belvederewerk — seit 1872 war er nach
Wien übersiedelt, das ihn bis auf den heutigen Tag stolz zu
den Seinen zählt —, die Galerie Weber in Hamburg, die
Galerie Strauss in Wien, die BerlinerGalerieund ein-
zelne prachtvolle Blätter aus der Liechtensteingalerie.
Ungers Radirungen nach den Meisterwerken ver-
gangener Zeiten sind köstliche Documente seiner Kunst,
die neben der selbstverleugnenden und innigen, auf liebe-
vollstem und eindringlichstem Verständnis beruhenden
Anschmiegefähigkeit an den Stil des Vorbildes nie den
Zauber der Individualität missen lassen. Es ist trotz des
vollkommenen Aufgehens in den künstlerischen Willen
des Alten stets noch ein gut Theil Unger in seinen Blättern
zu erschauen, und dadurch tritt unser Meister als Selbst-
schaffender neben jenen Anderen.

Nicht auf einmal war dieser Zauber da, allmählich
nur brach er durch in diesen Blättern. Manches noch ist
befangen in der Casseler Galerie, aber es verschwindet
bald. Den Höhepunkt bildet das Belvederewerk. Niemals
mehr ward eines Radirers Nadel, eines Copisten Pinsel
mehr Dürer gerecht, als Unger, wie er mit bewunderns-
werter Meisterschaft die klare mosaikartige Buntheit des
Allerheiligenbildes auf die Platte ätzt. Und gleicher Weise
erblüht die weiche leuchtende Tiefe der Rubens'schen
Farbe oder Rembrandts Zauberkunst. Rembrandt war sein
Liebling und ist es geblieben. Es sind ein paar köstliche
Meisterstücke nach ihm da, so das Selbstporträt mit Feder-
hut in der Liechtensteingalerie und die Saskia, gleich
entzückend durch die psychologische Feinheit wie durch
Licht- und Schattenbehandlung, oder wie ihr Gewand
gezeichnet ist. Der vornehmen stolzen Porträtkunst van
Dycks ward Unger unvergleichlich gerecht im sogenannten

Wallenstein und im Prinz Ruprecht von der Pfalz. Der
wundervolle Heythuysen von Fr. Hals in der Liechten-
steingalerie hat den Meister zu einer Leistung ersten
Ranges geführt.

Am grössten dünkt mich Ungers Kunst zu sein in
der Radirung nach dem Kleinod der Galerie Borghese, nach
Tizians Himmlischer und Irdischer Liebe (datirt vom
1. October 1896), im prachtvollen Erfassen des gesammten
Werkes nicht minder als in der duftenden Weichheit des
blühenden Frauenleibes. Ein Glück noch dazu, dass Unger
in dem Drucker Pisani einen vortrefflichen Helfer fand.

Zart und innig, so recht aus dem Geiste dieser
graziösen femininen Kunst leuchtet uns das Selbstporträt
der Vigee Lebrun entgegen. Die feine flimmernde Licht-
behandlung in Uhdes Morgen, nicht minder die gross-
zügige Einsamkeit und Wucht Max Liebermanns finden
gleichgearteten Ausdruck. Der Dunst der Ferne ruht in
Cuyps Seelandschaft und ein schwerer farbenreicher
Stimmungszauber liegt über E. J. Schindlers romantischem
Thal des Friedens.

Eine so reiche umfassende Künstlernatur, die so viel
eminent Eigenes in sich trägt, musste auch Original-
radirungen schaffen. Da ist eine zarte und graziöse
gezeichnete Wettfahrt bei Neapel aus dem Jahre 1879;
ein Kabinetstück psychologischer Charakteristik ist das
Porträt des alten Wiener Kunsthändlers Artaria. Das farben-
reiche phantastische Atelier Makarts war ein Problem, das ob
seiner Vielgestaltigkeit Unger reizte, und auch technisch
ist das Blatt ein complicirtes Werk, das stellenweise in
Aquatinta ausgeführt ist. Liebenswürdig und altmeisterlich
klingt an unser Empfinden der Radirer, den wir bei der
stillen Arbeit belauschen, wie er aufmerksam die Wirkung
des Ätzwassers auf der erhobenen Platte betrachtet.

Es bleibt mir noch eine kleine Gruppe von köstlichen
Meisterwerken übrig. Es sind farbige Radirungen,
Frauenporträts, die der Meister nach Photographien der
Originale von Lebrun, Hoppner, Raeburn und Gains-
borough radirt und nach eigenem Empfinden colorirt hat.
Sie sind geradezu bezaubernd in der discreten Zartheit
der Farben, in dem berauschenden Reiz weiblicher Grazie,
wie sie die Vorbilder Maria Antoinette, Helene Fourmont,
Lady Scott, Duchess of Devonshire, dieberückend schöne
Tragödin Mrs. Siddons und die Kunst ihrer Porträtmaler
Lebrun, Mytens, Raeburn und der träumerische Gains-
borough vereinen.

Ich bin zu Ende mit meinem Gang durch die Brünner
Ausstellung, die so viel Schönes und Bewundernswertes
von einem Künstlerschaffen erzählt, das noch auf der
Höhe seiner vollen Kraft steht, das in sich selbst die
höchste Befriedigung fand und nach Aussen Grosses
geleistet hat. Man pflegt an Geburtstagen Glück zu
wünschen und Segen für das weitere Leben und Arbeiten.
Um wie viel mehr ist ein solches Wünschen berechtigt,
wenn der, dem es gilt, berufen ist, Freude und Glück zu
verbreiten durch sein Wirken, wenn er wie William Unger
ein Künstler ist. Dr. Braun.

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