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Und hier seien gleich einige neue Werke dieses
unermüdlich schaffenden Radirers genannt. Zwei grosse
Blatter, Pendants, die «heilige Caecilia» und die «singenden
Engel» vom Genter Altar der van Eyck, hat der deutsche
Kunstverein als prächtige Gabe für seine Mitglieder
bestimmt. Ist hier aufs Beste die heitere Helle der Bilder,
der Glanz der Stoffe, die emailleartige Glätte der Malerei
herausgearbeitet, so gibt die Radirung des «Kaufmanns
Gisze» von Holbein alle die unerschöpflichen Feinheiten
dieses Meisterwerkes wieder — die vielen Einzelheiten
und Kleinigkeiten, die da von dem grossen Maler gehäuft
sind, sind unter voller Wahrung der Tonwerthe heraus-
gearbeitet, ohne dass irgendwie die Gesammtwirkung
beeinträchtigt würde. Die wunderbare Wiedergabe des
schönen, farbenreichen Teppichs, der den Tisch deckt
und des Glases mit den Nelken darin, die so frei sich vom
Grund lösen, verdienen beispielsweise mit hervorgehoben
zu werden. Auf einem ganz anderen Gebiet, das sehr zu
Unrecht stark vernachlässigt wird, hat sich Albert Krüger
mit gleichem Erfolg versucht, indem er ein weibliches
Profilporträt in der Berliner Sammlung, dem
Domenico Veneziano zugeschrieben, erworben als
Werk des Piero della Francesca, in Farbenholz-
schnitt reproducirt. Allerdings dürfte es schwer sein, ein
Werk zu finden, das so wie dieses Bild gewissermassen
einlüde zu dieser Art der Wiedergabe : ein unsagbar feines
Profil, blasse Farbe des Fleisches, der Kopf fast reliefartig
flach, so fein modelliert auf dem Grund des dunkelblauen
Himmels, dazu ein Stückchen Gewand in herrlichen bunten
Farben. Krüger hat in seinem Holzschnitt, bei welchem
9 Platten angewendet sind, den farbigen Gesammteindruck
trefflich festgehalten, ob auch vielleicht der Holzschnitt
etwas lebhafter wirkt als das Original. Die eigenartige
Zeichnung und Modellirung, welche in allen leisen Fein-
heiten nachgefühlt werden musste, sollte die Wirkung nicht
in Frage gestellt werden, ist mit absoluter Treue von
Krüger gegeben. Hoffentlich ermuthigt dieser Versuch,
der allgemeines Interesse erweckt hat, den Künstler zu
weiteren Schöpfungen in der gleichen Technik.
Der hiesige Verein für Original-Radirung hat
vor kurzem dasXII. Heft publiciert. Hatte die vorhergehende
Jahrespublication die leise Hoffnung erweckt, es möchte
ein bischen besser werden bei uns, ein klein wenig mehr
in modernem Sinne gehaltene Blätter publicirt werden,
so belehrt uns die diesmalige Gabe, dass es beim Alten
bleibt und dass nach wie vor eher dem Geschmack der
grossen Masse gehuldigt, als den Wünschen einsichtigerer
Kunstfreunde Rechnung getragen wird. Ein Blatt, das man
ohne Einschränkung als wirkliches Kunstwerk bezeichnen
mag, haben wir nicht gefunden. Die relativ beste Leistung
ist Hans Hermanns »Strasse in Amsterdam«: ein Blick
die Häuserreihe entlang auf eine Brücke hin mit allerlei
Leuten in ihrer Tagesbeschäftigung. Sehr hübsch in der
farbigen Wirkung, zu welcher Weiss und Schwarz
gebracht sind, scheint uns dies Blatt doch zu einer
bedenklichen Ausstellung zu veranlassen; es wirkt wie
eine photographische Aufnahme, hat mit einer solchen
alle Fehler — im künstlerischen Sinne gesprochen —
gemein, den vorzüglich, dass man die Menschen agiren
sieht, doch so, dass ihre Bewegungen starr sind und nicht
wirken, als wären Gliedmassen und Muskeln in Thätigkeit.
Wilhelm Feldmanns «Im Moor» ist so sympathisch und
anziehend in seiner bildmässigen Wirkung, wie die Werke
dieses Künstlers fast immer: es ist unleugbar Stimmung
in diesem Blatt und die feine Farbigkeit einer nieder-
deutschen Landschaft enthüllt sich dem Auge. Doch lösen
sich die ganz niederen Gebüsche im Vordergrunde nicht
gut von einander; sie wirken nicht, wie sie sollten, als in
verschiedenen Abständen befindlich; gänzlich unmateriell
sind die Wolken, die trocken und ohne Leichtigkeit
behandelt sind. Von Eckenbrechers «Strasse in Kairo»
mag man sagen, dass der Wechsel in Licht und Schatten
wirksam ist, ohne dass die Radirung im ganzen tieferes
Interesse erweckt. Philipp Frank will in seinem Blatt
«Dämmerung» einer ernsten und schönen Stimmung
Ausdruck geben: eine gebückte Alte wandelt durch den
Kirchhof, die Abendschatten senken sich herab; ein ein-
zelner Grabstein hebt sich noch aus dem Dunkel heraus.
Der Künstler scheint noch nicht aller technischen
Schwierigkeiten Herr zu sein; wenigstens haben die
Schatten jede Durchsichtigkeit verloren und man ahnt
nur noch, dass die dunkle Masse im Hintergrund Bäume
sein sollen. Ernst Hausmanns «Madonna» mag im
Geschmack junger Damen liegen, weil ein niedliches
Gesicht immer zusagt; das Kind möchte man rathen,
einer orthopädischen Anstalt anzuvertrauen. H. Kuhnerts
«Am See» ist so interesselos wie nur möglich: der alte
Schirmer hätte ein solches Motiv anders behandelt, wenn
schon er auch kein grosser Radirer gewesen ist.
R. A. Seemann hat auf seinen «Hausirer» grosse Sorg-
falt verwandt; nur hätte er das Blatt auf die Hälfte seiner
Grösse reduciren und nicht so sehr viel Detail hinein-
arbeiten sollen. Goethes Freund Heinrich Meyer sagt
einmal: «es begegnet manchen Künstlern, dass sie zu
viel machen, weil sie befürchten, zu wenig zu machen».
Auch in der Gegenwart kann man bisweilen die Bestäti-
gung für diesen Ausspruch finden.
In der Zeit vom 1. April bis 1. Mai 1898 wird der
Verband deutscher Illustratoren in denAusstellungs-
räumen der Akademie der Künste seine erste Ausstellung
veranstalten. Wir entnehmen den gedruckt vorliegenden
Satzungen folgende Bestimmungen, welche von allge-
meinerem Interesse sind. Einzusenden sind nur Original-
zeichnungen, die zu Illustrationszwecken bestimmt sind.
Reclame-Entwürfe sind ausgeschlossen. Berechtigt zur
Ausstellung sind lediglich Mitglieder des Verbandes und
persönlich eingeladene Künstler. Anmeldungen haben bis
zum 15. Februar zu erfolgen. Die Einlieferung findet nur
vom 1. bis 15. März statt. Die Mitgliederschaft zum
Verbände deutscher Illustratoren pro 1898, somit die
Ausstellungsberechtigung erlangt jeder deutsche Künstler
durch Zahlung des Jahresbeitrages von 4 Mark. — Wir
Und hier seien gleich einige neue Werke dieses
unermüdlich schaffenden Radirers genannt. Zwei grosse
Blatter, Pendants, die «heilige Caecilia» und die «singenden
Engel» vom Genter Altar der van Eyck, hat der deutsche
Kunstverein als prächtige Gabe für seine Mitglieder
bestimmt. Ist hier aufs Beste die heitere Helle der Bilder,
der Glanz der Stoffe, die emailleartige Glätte der Malerei
herausgearbeitet, so gibt die Radirung des «Kaufmanns
Gisze» von Holbein alle die unerschöpflichen Feinheiten
dieses Meisterwerkes wieder — die vielen Einzelheiten
und Kleinigkeiten, die da von dem grossen Maler gehäuft
sind, sind unter voller Wahrung der Tonwerthe heraus-
gearbeitet, ohne dass irgendwie die Gesammtwirkung
beeinträchtigt würde. Die wunderbare Wiedergabe des
schönen, farbenreichen Teppichs, der den Tisch deckt
und des Glases mit den Nelken darin, die so frei sich vom
Grund lösen, verdienen beispielsweise mit hervorgehoben
zu werden. Auf einem ganz anderen Gebiet, das sehr zu
Unrecht stark vernachlässigt wird, hat sich Albert Krüger
mit gleichem Erfolg versucht, indem er ein weibliches
Profilporträt in der Berliner Sammlung, dem
Domenico Veneziano zugeschrieben, erworben als
Werk des Piero della Francesca, in Farbenholz-
schnitt reproducirt. Allerdings dürfte es schwer sein, ein
Werk zu finden, das so wie dieses Bild gewissermassen
einlüde zu dieser Art der Wiedergabe : ein unsagbar feines
Profil, blasse Farbe des Fleisches, der Kopf fast reliefartig
flach, so fein modelliert auf dem Grund des dunkelblauen
Himmels, dazu ein Stückchen Gewand in herrlichen bunten
Farben. Krüger hat in seinem Holzschnitt, bei welchem
9 Platten angewendet sind, den farbigen Gesammteindruck
trefflich festgehalten, ob auch vielleicht der Holzschnitt
etwas lebhafter wirkt als das Original. Die eigenartige
Zeichnung und Modellirung, welche in allen leisen Fein-
heiten nachgefühlt werden musste, sollte die Wirkung nicht
in Frage gestellt werden, ist mit absoluter Treue von
Krüger gegeben. Hoffentlich ermuthigt dieser Versuch,
der allgemeines Interesse erweckt hat, den Künstler zu
weiteren Schöpfungen in der gleichen Technik.
Der hiesige Verein für Original-Radirung hat
vor kurzem dasXII. Heft publiciert. Hatte die vorhergehende
Jahrespublication die leise Hoffnung erweckt, es möchte
ein bischen besser werden bei uns, ein klein wenig mehr
in modernem Sinne gehaltene Blätter publicirt werden,
so belehrt uns die diesmalige Gabe, dass es beim Alten
bleibt und dass nach wie vor eher dem Geschmack der
grossen Masse gehuldigt, als den Wünschen einsichtigerer
Kunstfreunde Rechnung getragen wird. Ein Blatt, das man
ohne Einschränkung als wirkliches Kunstwerk bezeichnen
mag, haben wir nicht gefunden. Die relativ beste Leistung
ist Hans Hermanns »Strasse in Amsterdam«: ein Blick
die Häuserreihe entlang auf eine Brücke hin mit allerlei
Leuten in ihrer Tagesbeschäftigung. Sehr hübsch in der
farbigen Wirkung, zu welcher Weiss und Schwarz
gebracht sind, scheint uns dies Blatt doch zu einer
bedenklichen Ausstellung zu veranlassen; es wirkt wie
eine photographische Aufnahme, hat mit einer solchen
alle Fehler — im künstlerischen Sinne gesprochen —
gemein, den vorzüglich, dass man die Menschen agiren
sieht, doch so, dass ihre Bewegungen starr sind und nicht
wirken, als wären Gliedmassen und Muskeln in Thätigkeit.
Wilhelm Feldmanns «Im Moor» ist so sympathisch und
anziehend in seiner bildmässigen Wirkung, wie die Werke
dieses Künstlers fast immer: es ist unleugbar Stimmung
in diesem Blatt und die feine Farbigkeit einer nieder-
deutschen Landschaft enthüllt sich dem Auge. Doch lösen
sich die ganz niederen Gebüsche im Vordergrunde nicht
gut von einander; sie wirken nicht, wie sie sollten, als in
verschiedenen Abständen befindlich; gänzlich unmateriell
sind die Wolken, die trocken und ohne Leichtigkeit
behandelt sind. Von Eckenbrechers «Strasse in Kairo»
mag man sagen, dass der Wechsel in Licht und Schatten
wirksam ist, ohne dass die Radirung im ganzen tieferes
Interesse erweckt. Philipp Frank will in seinem Blatt
«Dämmerung» einer ernsten und schönen Stimmung
Ausdruck geben: eine gebückte Alte wandelt durch den
Kirchhof, die Abendschatten senken sich herab; ein ein-
zelner Grabstein hebt sich noch aus dem Dunkel heraus.
Der Künstler scheint noch nicht aller technischen
Schwierigkeiten Herr zu sein; wenigstens haben die
Schatten jede Durchsichtigkeit verloren und man ahnt
nur noch, dass die dunkle Masse im Hintergrund Bäume
sein sollen. Ernst Hausmanns «Madonna» mag im
Geschmack junger Damen liegen, weil ein niedliches
Gesicht immer zusagt; das Kind möchte man rathen,
einer orthopädischen Anstalt anzuvertrauen. H. Kuhnerts
«Am See» ist so interesselos wie nur möglich: der alte
Schirmer hätte ein solches Motiv anders behandelt, wenn
schon er auch kein grosser Radirer gewesen ist.
R. A. Seemann hat auf seinen «Hausirer» grosse Sorg-
falt verwandt; nur hätte er das Blatt auf die Hälfte seiner
Grösse reduciren und nicht so sehr viel Detail hinein-
arbeiten sollen. Goethes Freund Heinrich Meyer sagt
einmal: «es begegnet manchen Künstlern, dass sie zu
viel machen, weil sie befürchten, zu wenig zu machen».
Auch in der Gegenwart kann man bisweilen die Bestäti-
gung für diesen Ausspruch finden.
In der Zeit vom 1. April bis 1. Mai 1898 wird der
Verband deutscher Illustratoren in denAusstellungs-
räumen der Akademie der Künste seine erste Ausstellung
veranstalten. Wir entnehmen den gedruckt vorliegenden
Satzungen folgende Bestimmungen, welche von allge-
meinerem Interesse sind. Einzusenden sind nur Original-
zeichnungen, die zu Illustrationszwecken bestimmt sind.
Reclame-Entwürfe sind ausgeschlossen. Berechtigt zur
Ausstellung sind lediglich Mitglieder des Verbandes und
persönlich eingeladene Künstler. Anmeldungen haben bis
zum 15. Februar zu erfolgen. Die Einlieferung findet nur
vom 1. bis 15. März statt. Die Mitgliederschaft zum
Verbände deutscher Illustratoren pro 1898, somit die
Ausstellungsberechtigung erlangt jeder deutsche Künstler
durch Zahlung des Jahresbeitrages von 4 Mark. — Wir