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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.4072#0030
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27 —

Dichter Grillparzer, Raimund, Bauernfeld, Mayr-
hofer, Schober, Ladislaus Pyrker und die einst viel-
gelesene Caroline Pichler, Dichter, von denen manche
nur durch Schuberts Compositionen der Vergessenheit
entgangen sind, ferner die Schauspieler Joseph Lange
und Sophie Müller, den Sänger J. M. Vogl, Schuberts
bedeutendsten Interpreten, die Pianisten J. B. Jenger und
die jugendliche Leopoldine Blahetka, den berühmten
Geiger Schuppanzigh, die Musikgelehrten Mosel und
Kiesewetter, sowie den Kritiker F. A. Kanne. Das
musikliebende Bürgerthum vertreten der Grosshändler
J. Ch. Bruchmann mit seinem Sohne Franz und der
Rechtsgelehrte Ignaz Sonnleithner, den Adel der Hof-
musikgraf Monz Dietrichstein, dem der Erlkönig
gewidmet ist. Von Damen sind ausser den erwähnten noch
anwesend Grillparzers ewige Braut Katharina Fröhlich,
»Bürgerskind aus Wien«, mit ihren drei Schwestern, und
Marie Wagner, nachmals verehlichte Pratobevera. Eine
Stelle in dem Tagebuche der zuletzt Genannten hat zu
der Wahl des von dem Maler dargestellten Momentes die
Anregung gegeben.

Graphische Ausstellungen.

Die Ausstellung von Künstler-Lithographien in
Düsseldorf.

Der Freude des modernen Künstlers am Technischen
in der Kunst verdanken wir ausser der Malerradirung auch
die Wiederentdeckung der Lithograpie. Allzurasch, nach
kurzer Blütlie. war die volkstümlichste der verviel-
fältigenden Künste zur Industrie geworden. Die vorwiegend
von Künstlern gepflegte einfarbige Lithographie hörte auf,
als die photomechanischen Verfahren noch einfachere und
wohlfeilere Mittel zur Vervielfältigung von Zeichnungen
boten, nur der lithographische Farbendruck behauptete und
entwickelte sich, den Weltmarkt fast ohne Concurrenz er-
obernd. Als 1862 Fantin-Latour zuerst wieder auf Stein
zu zeichnen begann, stand er einem Publicum gegenüber,
welches über die bizarre Laune lächelte, die naive Kunst
der Biedermeierzeit wieder aufleben lassen zu wollen.
Während die Malerradirung immer höher im Werthe
stieg, eine noble Passion bei Künstlern und Sammlern
wurde, haftete der Lithographie etwas Unfeines, ein Parfüm
aus Jahrmarktsdüften und Fabriksgerüchen an. That-
sächlich ist aber die Lithographie künstlerisch noch freier,
vom handwerklich Technischen noch weniger abhängig
als die Radirung. Es ist fast wörtlich zu nehmen, wenn
man sagt, dass jeder, der zeichnet, auch lithographiren
könne. Was Herkomer von seinen Maldrucken behauptet
— und mit ihm wohl nur wenig andere — das machte
die Lithographie seit jeher möglich: Eine unmittelbare
Wiedergabe der künstlerischen Handschrift, das Bei-
behalten der gewohnten Manier zu zeichnen. Der Künstler
führt die lithographische Kreide auf dem Steine wie Kreide,
Röthel, Kohle auf dem Papier. Er benützt den Wischer,

schummert die Flächen an, tönt sie mit dem Pinsel, schabt
die Lichter aus — wie er's nun einmal im Griffe hat. Neuere
Erfindungen wie das Umdruckpapier und die Algraphie
machen ihm die Arbeit in manchem noch bequemer, wenn
sie auch der malerischen Behandlung gewisse Schranken
auferlegen. Alte Lithographien tragen fast immer den
Charakter einer Kreide- oder Bleistiftzeichnung mit weicher
Strichführung. Der moderne Drang nach individueller
Bethätigung lässt sich durch Hergebrachtes nicht gerne
beschränken, er liebt es zu experimentiren und ver-
schiedene graphische Techniken durcheinander zu bringen.
Schon Fantin-Latour, dem das Zeichnen auf dem glatten
Stein nicht sympathisch war, suchte durch Aufrauhen der
Fläche den Eindruck einer Kohlenzeichnung auf grob-
körnigem Papier zu erreichen. Künstler, die gewohnt sind,
mit der Feder zu zeichnen, handhaben diese auf dem
Steine wie eine Radirnadel, andere, deren künstlerische
Kraft im strenge geschlossenen Umrisse mit leichter
Tönung liegt, geben in ihren Lithographien Nachahmungen
der alten Chiaroscuri. Wie man sich beim Anblicke von
Radirungen auf weichem Grunde, bei Arbeiten mit dem
Trockenstifte manchmal fragt, weshalb die Künstler
eigentlich nicht die Lithographie vorgezogen haben,
beschleicht uns umgekehrt vor einzelnen meisterhaften
Steinzeichnungen Greiners und Thomas der ketzerische
Gedanke, dass hier die Radirnadel, das Messer des Holz-
schneiders vielleicht noch holdere Wunder zu Stande
gebracht hätten. Aber das technische Ausdrucksmittel ist
nicht immer das Resultat peinlicher Überlegung, Zufall
und Laune sprechen ebenso oft mit wie der Drang, eine
Technik nach allen Seiten auszunützen, ihr neue Wir-
kungen abzuringen. Wenn neuere Arbeiten von einer
überraschenden Anpassungsfähigkeit der Lithographie an
andere graphische Techniken Zeugnis ablegen, sind die
Künstler vollauf berechtigt, sie sich dienstbar zu machen,
umsomehr als sie dadurch auf rascherem und leichterem
Wege zum gewünschten Resultate gelangen.

Die Veranstalter der Düsseldorfer Ausstellung hatten
sich sehr weite Ziele gesteckt. Ausser einem Überblick
über das gesammte zeitgenössische Schaffen — etwa
600 Nummern — brachten sie in einer geschichtlichen
Abtheilung über 300 ältere Lithographien und als Anhang
noch eine Auswahl moderner Plakate.') Die geschichtliche
Abtheilung ging, ohne auf Vollständigkeit Anspruch zu
erheben, bis auf Senefelder selbst zurück (Jagender Löwe,
Variationen nach C. M. v. Weber), brachte von den meisten
Künstlern, die hervorragend lithographisch thätig gewesen
waren, ein oder das andere Blatt, von Menzel fast alles,
von den beiden Achenbachs, den localen Verhältnissen
Rechnung tragend, sehr viel. Wir sehen Menzel schrittweise
wachsen, von der ersten befangenen Lehrbubenarbeit bis

') Der grösste Theil der ausgestellten Blätter war von der
bekannten Düsseldorfer Kunsthandlung Bismeyer & Kraus gesammelt
und einem Künstlercomite zur Verfügung gestclit worden, welches die
Auswahl und Aufstellung in den Räumen des neuen Gewerbe-Museums
besorgte.
 
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