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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.4072#0037
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verstorbenen Historikers und Kunstkritikers Charles
Marron erinnert an die glänzendsten Effecte von kühnen
Weiss und Schwarz-Blättern Theodore Ribots; das Pferd,
das einen nackten Mann ins Gras abwirft, fordert lebhaft
einen Vergleich mit demselben Vorwurf, den Hans Thoma
in einer seiner letzten Algraphien behandelt, heraus;
»l'homme soucieux« beschwört die Erinnerung an die
alten deutschen Holzschneider und ihren gegenwärtigen
Nachfolger Sattler herauf; der Wanderer, dessen Schatten
die abendliche Beleuchtung in die Länge zieht, ist eine
beredte Schilderung des menschlichen Elends inmitten
einer lachenden Natur; die ruhende Frau ist eine
Studie, die grosses Geschick und reife Erfahrung im
Schnitt beweist; der verlassene Pierrot eine entzückende
Phantasie, bei welcher der Druck in Japanischgrün auf
braungelbem Papier vortrefflich gelungen ist; in dem Blatt
mit der alten Frau, die ein Reisigbündel hinter sich her-
zieht, liegt eine feine Stimmung von Zwielicht, die richtige
Dämmerstunde; endlich zeugen der Frauenkopf in Grün
und der energische Männerkopf in Roth von kraftvoller
Schönheit der Auffassung und kühner Ausführung.

Diese 10 Blätter genügen, um die Meisterschaft
Viberts zu erweisen und ihm einen Rang zu sichern in
nächster Nähe des grossen Poeten im Holzschnitte,
Auguste Lepere.

März 1898. William Ritter.

Graphische Ausstellungen.

Die Ausstellung von Künstler-Lithographien in
Düsseldorf. (Fortsetzung und Schluss.)

Unter den Düsseldorfern erfreut sich Frenz eines
wohlverdienten Rufes als Steinzeichner. Seine reiche
Phantasie liebt rasche, improvisirte Niederschläge. Die
Welt, in der er mit Vorliebe weilt, ist die antike, seine Art
sie zu schauen ist originell und voll Schönheitsgefühl.
Aber er ist, wie Greiner, manchmal zu sehr vom Modell
abhängig und an den Füssen seiner Gestalten merkt man,
dass sie nicht schaumgeboren oder Zeus' Haupte ent-
sprungen sind, sondern auf niederdeutschem Boden
wandeln. Ausser mythologischen Scenen brachte er aber
auch Bildnisse und Plakatentwürfe in kräftigen schwarzen
Umrissen. Frenz ist einer der wenigen deutschen Künstler,
welche auf diesem Felde mit den Franzosen sich messen
können, obwohl — oder vielleicht weil — seine Art
gründlich verschieden ist von dem modernen französisch-
amerikanischen Plakatstile und obwohl er dabei auf farbige
Wirkung zumeist verzichtet. In sorgfältig bildmässiger
.Manier durchgeführte Lithographien von Fritz Roeber,
grosse Scenen aus der Bibel, gestatten einen sehr inter-
essanten Vergleich zwischen dem Schönheitsideal der
classicistischen und der neueren Düsseldorfer Schule,
deren Führer Frenz und Arthur Kampf sind. Kampf, ein
vortrefflicher Radirer, überall voran, wo es gilt, jungem
talentvollem Streben Platz zu machen, ist auch einer der

eifrigsten Förderer der Künstlerhthographie in Rath und
That. Seine eigenen Steinzeichnungen gehören zu dem
Besten, was heute auf diesem Gebiete geleistet wird. Seine
feine Naturbeobachtung, seine Fähigkeit, das reiche Detail
zu einer kraftvollen Gesammtwirkung zu vereinen, sein
schnelles Erfassen des Charakteristischen in der Situation
erinnern an Menzel. Sein Bruder Eugen, der Landschafter,
hatte eine fein gestimmte Studie in leichter Farbentönung
ausgestellt. Natürlich fehlte es in der Düsseldorfer Abthei-
lung auch sonst nicht an tüchtigen Landschaftszeichnern.
Jernberg war darunter der bedeutendste.

England spielte eine bescheidene Rolle. Ausser zwei
guten Whistlers sah man eine verunglückte Bacchantin
von Walter Crane und eine lange Reihe kraftloser weich
geschummerter Shannons. Holland stellte in J. Veth
einen Bildniszeichner von klarem und kühlem Blick und
sicherer Strichtechnik. Zwischen seinen grossen Charakter-
köpfen berühmter und berüchtigter Personen und den Bild-
nissen Grevedons undKriehubers scheinen Jahrhunderte zu
liegen und doch sind sie im Vergleiche zur Porträtauffassung
eines Kampf nicht gerade Leistungen ersten Ranges. Aber
das gegenständliche Interesse beeinflusst bei solchen
Darstellungen gewöhnlich das Urtheil und das kommt
Veths Steinzeichnungen zu statten.' Mit reinerem künst-
lerischen Behagen weilt der Blick auf Storms van
s'Gravesande Marinen, die in malerischer Kraft seinen
Radirungen fast ebenbürtig sind.

Die französischeAbtheilung entfaltete ein künst-
lerisches Leben von reicher Fülle. Dem flüchtigen Blicke
schien es freilich, als ob die leichtfertigen Effectstücke,
die Scenen aus der Halb- und Viertelwelt, der jetzigen
französischen Lithographie den Stempel aufdrücken
würden, denn sie überwogen der Zahl nach die ernsteren
und solideren Leistungen. Lautrec und Lunois traten
mit einigen Dutzenden von Blättern auf den Plan, während
sich andere mit viel weniger bescheiden mussten. Neben
Lautrecs bizarren, grellfarbigen Zeichnungen, denen echter
Pariser Chic aber nicht abzusprechen ist, erschienen die
Arbeiten yon Oge und Lunois duftig fein und discret.
Lunois gibt zumeist Aquarellskizzen in leichten eleganten
Umrissen, die selbst nicht immer schwarz, sondern auf
einem und demselben Blatte verschieden gefärbt sind, und
zwischen ihnen zart getönte Flächen, aus welchen ein
oder zwei kräftige Noten dominirend herausklingen. Er
braucht nur wenige Platten zum Drucken. Aber nicht allein
die Welt, in der man sich amusirt, interessirt ihn, er
sucht seine Motive auch ferne von den Boulevards und
vom Moulin Rouge, auf Reisen in Holland, in den Seebädern,
im Orient. In einem seiner Hauptblätter, einer orientalischen
Burnusweberei, begnügt er sich mit der Wiedergabe einer
einfarbigen Tuschzeichnung und erreicht damit eine
feinere Wirkung als mit den meisten farbigen Motiven.
Technisch stehen seinen Arbeiten die eleganten Damen-
bildnisse von Gandara in ihrer discreten Tönung nahe
und die geschmackvollen Stillleben von L. Fauche. Ohne
picante Würze, einfacher in ihren Mitteln, schildern das
 
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