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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.4072#0038
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Pariser Leben A. Lepere, ein nobler und flotter Zeichner,
Steinlen, der Meister des grossen Strassenplakateund vor
allem Dillon, ein grosser Meister in kleinem Formate. Von
Rops hat man eine künstlerisch unbedeutende Bizarrerie,
die »Medaille vonWaterloo« fürausstellungsfähigbefunden,
Rochegrosse, Puvis de Chavanne und Grasset
waren in grossen, in gewischter Kreidemanier gehaltenen
Blättern vertreten. Gleiche Technik bei feinster Durch-
führung zeigten die Bildnisse von E. Carriere und
C. Guerin, eine ausgezeichnete Helldunkelstudie »Der
Maler« von P. II lies, das grosse Blatt »Die Klosterschreiber«
von Maurou — der auch eine vortreffliche Lithographie in
leichter Tuschtönung ausgestellt hatte — und die Arbeiten
von M a lt e s t e. Neben ihnen fielen zwei Schilderer religiöser
Scenenauf: Moreau-Nelaton durch einenhypertranscen-
dentalen Stil mit dürftigen Umrissen und blass getuschten,
kaum modellirten Flächen, in welchem er die Kreuztragung
und verschiedene Heiligengruppen behandelt; Merson
durch das Gegentheil, indem er in kräftiger Strichmanier
die Rückkehr des verlorenen Sohnes in das Vaterhaus,
den grossen Hof eines wohlhabenden bretonischen Bauern,
schildert.

Das glänzende Bild der jüngsten französischen
Lithographenschule fand seine Ergänzung in einer gut
gewählten Plakat-Ausstellung. Neben den Leistungen
eines Cheret, Grasset, Lautrec, Steinlen, Willette u. A.
spielten die amerikanischen und englischen Erzeugnisse
trotz ihres Cmfanges eine bescheidene Rolle, deutsche
waren kaum vertreten. Plakat-Ausstellungen gibt es nun
an allen Ecken und Enden, alle Hebel werden in
Bewegung gesetzt, um auch bei uns eine wirkliche
Plakatkunst zu schaffen. Es ist hier nicht der Ort, auf
diese wohlgemeinten Bestrebungen näher einzugehen,
nur eine kurze Bemerkung möge mir hiezu vergönnt sein.
Das französische, englische, amerikanische Plakat ist ein
Aussenplakat, bestimmt auf offener Strasse von Mauern
und Litfass-Säulen herab zu wirken, von Dienstmännern
und Reclamewagen durch hastendes Menschengewühl
gedrängt zu werden. Es muss durch seine Grösse, seine
Formen und Farben auffallen, verblüffen, sonst geht es
unbeachtet verloren. Bei uns herrscht nicht in gleichem
Masse das Bedürfniss nach solch bizarrer Reclame.
Unser Strassenleben ist ruhiger. Im Gegensatze zu
anderen Ländern hat sich bei uns die Sitte entwickelt, auf
dem Strassenplakate möglichst weit leserlichen Text und
wenig figürliche Anziehungskraft zu entwickeln, dafür
jedoch das Innenplakat figürlich und ornamental umso
sorgfältiger auszugestalten, das in Ruhe und auf geringe
Entfernung gesehen werden kann. Also das Plakat für
Bahnhöfe, Restaurationen, Schaufenster und Verkaufs-
läden. Das ausländische Innenplakat ist im Gegensatze
zu unserem fast nur auf den Text beschränkt. Wir müssen
mit diesem umgekehrten Verhältnisse rechnen und dürfen
nicht in den Fehler verfallen, das ausländische Strassen-
plakat bei uns copiren und etwa als Innenplakat verwenden
zu wollen. Dieses muss intimer gehalten sein. Den Typus

hiefür hat Mucha geschaffen. Seine Plakate bilden jetzt
das Entzücken der Liebhaber, aber man hält sie für zu
fein, für zu wenig wirksam als Strassenannoncen. Die
Farben sind zarter und directer, die Modellirung ist ein-
gehender, die Ornamentik bis in alle Einzelheiten, zum
Schaden der Fernwirkung, durchgeführt. Muchas Stil hat
in seinen Figuren viel Wienerisches, speciell Makartisches
Auch seine Bronzetöne, seine Verbindung von Weiss und
Gold, sein Blaugrün, erinnern an den grossen Decorateur.
In der Ornamantik ist der Vollblut-Franzose Mucha von
dem Vollblut-Franzosen Haberdissel abhängig, dem unter
dem Namen Habert-Dys besser bekannten genialen
Musterzeichner. Das Vorbild dieser beiden, uns auch durch
ihre Abstammung näher stehenden Künstler kann unserem
Innenplakate aufhelfen und nicht die für ganz andere
Zwecke und Verhältnisse componirten Arbeiten eines
Cheret oder gar die amerikanischen Bizarrerien.

A. Kisa.

Correspondenz aus London.

(Fortsetzung und Schluss.)

Ausser der Vervielfältigung von Arbeiten nach
alten Meistern hat sich aber die Firma A. Lucas & Co.
auch gleichzeitig Reproductionen nach den bedeutendsten
modernen Künstlern zur Aufgabe gestellt. In dieser
Beziehung soll nur der Name «Millais« genannt werden.
Es gibt kaum irgend einen modernen englischen Künstler,
der so beliebt bei der gesammten Nation ist wie dieser.
Auf einer der letzten Auctionen bei Christie wurde sein
Gemälde »The Order of Release«, vielleicht diejenige
seiner Arbeiten, welche des Meisters Realismus am deut-
lichsten erläutert, mit 50.000 Gulden honorirt. Gilbert
Hesters Mezzotintarbeit nach Sir John Millais »Die
Fluth«, bleibt ein Liebling des Publicums. Die grosse
Radirung von W. Holl, nach dem Bilde »Idyll«, wird von
dem Art-Journal als Prämie für seine Abonnenten verab-
folgt werden. Ferner hat Sotheran die letzte von Millais
angefertigte Zeichnung, welche viel sagend »Die letzte
Strecke des Waidmanns« heisst und in der er selbst
verendend auf einem Jagdgrunde dargestellt ist, in Form
einer Photogravure veröffentlicht. — Endlich hat Lucas
& Co. noch eine Original-Radirung von Walker ausge-
stellt,die heute und zu allen Zeiten das englische Publicum
mächtig anziehen wird, weil es sich um Shakespeare
handelt. Das Haus des Poeten, vom Garten aus gesehen,
bildet eine so interessante Originalarbeit, dass sie sowohl
wegen des Sujets, als auch um ihrer selbst willen
Modeblatt geworden ist.

Im Kunstsalon von Agnew sind zwei sehrbemerkens-
werthe Radirungen von Brunet-Debainesveröffentlicht.
Die ältere, sehr begehrte Arbeit »Morgennebel irr^ Hoch-
lande-., nach dem akademischen Gemälde von Peter
Graham, ist fast vollständig vergriffen. Die fernen Berge
sind halb in Nebel gehüllt, und das Ganze ist scheinbar
 
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