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Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst — 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.4072#0041
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allein schon entzückt, ist der Farbenfleck an und für sich, die einzelne
Nuance, ihre Tiefe und Kraft und dann die Nebeneinandersetzung der
Karben. Besonders fein gestimmt und effectvoll ist z. B. das Bild einer
Agyptierin in hellgrünem Gewände, das sich von einem tiefblauen
Hintergrunde abhebt. Einen weiteren Reiz gewinnt die Serie der Bilder
durch die Mannigfaltigkeit der zum grössten Theile ungesuchten
Stellungen und die mit Leichtigkeit erreichte Porträtähnlichkeit der
schönen Frauen, die der Künstler in kleidsamen antiken Gewändern
vorführt. Durch Burgers Publication hat die Eintagspracht eines Künstler-
festes eine dauernde Verherrlichung gefunden. Ms.

Typochromie Meisenbach, Riffarth & Co.

Diese bekannte Firma hat als Kunstvereinsblatt für einen
russischen Verein einen Autotypie-Farbendruck nach einem Tnptychon
gebracht, das W. Tetmayer 1897 malte.

Das Bild stellt im Mittelstücke die Verehrung eines alterthum-
liehen Gnadenbildes der Muttergottes durch slavisches Landvolk dar.
Zur Linken das Volk, zur Kirche in winterlicher Nacht pilgernd, zur
Rechten eine Bauernstube nebst Insassen. Über Deutung und Bedeutung
des Bildes ist hier nicht der Ort, zu sprechen. Nur soviel, es ist in der
breiten, wuchtigen Manier der satten, flächigen und verfliessenden
Tonmalerei der modernen Schule gemalt.

Die übliche Farbenlithographie würde, auch bei Anwendung von
dreizehn und mehr Platten, die Frische und die starke Contrastwirkung
der modernen Karben, überhaupt die Eigenart der Technik nicht leicht
getroffen, auch den eigentümlichen Charakter der slavischen Volks-
typen vermuthlich etwas verwischt haben.

Das photomechanische Verfahren aber sichert völlig authentische
Wiedergabe der Zeichnung, soweit, dass die Lage und Form der wuch-
tigen Pinselstriche, die Stärke des Karbenauftrages auch in der Repro-
duetion ebenso genau wie die Zeichnung der Gestalten wieder erscheint.
Die Frische der Farben des Originals bleibt erhalten dadurch,
dass in der Hauptsache das Dreifarbenverfahren zu Grunde gelegt
wurde. Da aber mit diesem im Buchdrucke völlig correcte Nachbil-
dungen nicht erzielt werden — es bleibt zum Beispiel vorläufig un-
möglich, die drei Druckfarben so pracis zu treffen, dass die Mischung
stets ganz genau alle Nuancen der Originaltöne gibt — so wurden noch
zwei Karbenplatten zur Correctur herangezogen, also in fünf Karben
gedruckt

Mit diesen ist in der That ein vorzüglicher, ja zum Theile über-
raschender Effect erzielt. Jedenfalls gibt hier der Karbenbuchdruck
weit mehr Vorstellung von der wirklichen farbigen Gesammterscheinung
des Originals, als ein lithographischer Farbendruck im Allgemeinen
erreichen würde, ist also in Hinsicht auf getreue Wiedergabe farbig und
tormal überlegen.

Tn künstlerischer Hinsicht befriedigt der Totaleindruck mehr
als die Einzelheiten. Der vom Lichte erwärmte Fleischton der Gesichter
links auf dem Mittelbilde hat zum Theile noch etwas leeres, zum Theile
etwas brandig-rothes. Feinere Nüancirung in kleineren Flächen, wie es
für die Köpfe doch oft unentbehrlich, gelingt nicht völlig.

Trotzdem verdient höchste Anerkennung, was die Firma hier im
Karbenbuchdruck erreicht hat. Sie ist auf gutem Wege und das Blatt
bezeichnet einen sichtbaren Kortschritt. Nur eine vorzügliche Schulung
aller zusammenwirkenden Kräfte und ein sehr umsichtiges und
gewissenhaftes Operiren konnte solche Resultate, ein strengen, künst-
lerischen Anforderungen entgegenkommendes Blatt erzielen. Je mehr es
gelingt, auf mechanischem Wege farbige Originale wirkungsvoll und in
der Farbe reizvoll wiederzugeben, um so höher wird die Theilnahme
derjenigen, die eine authentische Wiedergabe der Gemälde, nicht eine
verwässerte Nachbildung vom Karbendruck verlangen und deshalb die
photomechanische Reproduction der lithographischen vorziehen.

M. Seh.

Literatur.

The Bases of Design. By Walter Crane.

London, Bell & Sons, 1898.

Walter Crane hat uns in diesem Jahre ein neues Buch geschenkt,
und wir wollen gleich sagen, ein lehrreiches, geistvolles und anregendes.
Manche Künstler, die über Kunst schreiben, wollen gelehrter sein als
die Gelehrten selbst, verlieren sich in leere Abstractionen, wagen sich
in metaphysische Regionen und scheuen sich nicht, nach dem innersten
Wesen der Kunst zu forschen, das ja doch ein ewiges Rathsel bleiben
wird. Bei Crane ist das anders: Er will auch als Schriftsteller nicht
mehr als er kann, er ist durch und durch ein praktischer Kopf und macht
auch praktische Vorschläge.

Ähnlich seinen früheren Werken über die Forderungen der
decorativen Kunst und über alte und neue Buchillustration ist dies
neue Buch aus Vorlesungen entstanden, die er an der Städtischen
Kunstschule zu Manchester gehalten hat, während er dort als Leiter der
Zeichenunterrichts thätig war. Wir beneiden diese Anstalt um einen
solchen Lehrer. Erstaunlich ist seine gründliche Kenntnis auf dem
Gebiete alter und neuer Kunst, erstaunlich sein weiter Überblick darüber,
aber noch erstaunlicher ist das tief eindringende Verständnis, womit er
alte Kunstwerke ansieht. Hätten wir einen Mann wie Walter Crane, der
unsere jungen Kunstgewerbeschüler durch die Museen führte, die ja
immer mehr und mehr zu veralten drohen, so ist es gewiss, dass
gleichsam aus Ruinen neues Leben erblühen würde. Denn nie und
nirgends predigt er sklavische Nachahmung, sondern er zeigt mit ver-
ständigen und leicht verständlichen Worten, wo das wirklich Gute,
Werthvolle und Wesentliche liegt, wodurch die alte Kunst so gross
geworden ist. Ob er von englischer Gothik spricht oder von den
Parthenonsculpturen, von persischen Teppichen oder von altdeutscher
Buchillustration, — überall findet er glücklich die künstlerische Idee
heraus, die an sich und grundsätzlich nachahmenswerth ist, ohne dass
sich dabei eine wirkliche Nachahmung oder gar Copie des Kunstwerkes
selbst in der heutigen Zeit rechtfertigen Hesse. Wäre es möglich, unsere
angehenden Künstler und Kunstgewerbetreibenden in solcher Weise
zur Betrachtung alter Kunstwerke anzuleiten, so könnte ihnen der Besuch
der Kunstgewerbemuseen nicht nur nicht, wie heute so viele glauben,
schädlich werden, sondern er müsste ihnen im Gegentheil von grösstem
Nutzen sein.

»Die Grundlagen der Zeichenkunst« hat W. Crane sein neues
Werk genannt; er gibt aber darin mehr, als der Titel verspricht, es ist
eine Art praktischer Ästhetik der bildenden Künste, ein Handbuch für
angehende Zeichner, die daraus lernen sollen, worauf es beim Zeichnen
ankommt und unter welchen inneren Bedingungen und äusseren Ein-
flüssen eine jede Zeichnung zu Stande kommt, sei sie nun für die Zwecke
der sogenannten hohen Kunst oder für die des Kunstgewerbes bestimmt.
Solcher Einflüsse und Bedingungen gibt es aber so viele und so mannig-
faltige, dass Crane weder an eine erschöpfende Darstellung, noch an
eine strenge folgerichtige Gliederung des ganzen Stoffes denken konnte.
Daher ist auch die Eintheilung in Capitel nicht logisch scharf, die ein-
zelnen Abschnitte greifen ineinander über, das Ganze hat mehr die Form
einer geistvollen Plauderei. Einen bestimmenden Einfluss auf die
künstlerische Form der Zeichnung üben nach Walter Crane die folgenden
Kactoren aus: Die architektonische Grundlage, die Brauchbarkeit oder
Nützlichkeit, das Material und die davon abhängige Arbeitsweise, die
äusseren Bedingungen, das Klima, die Rasse, die symbolischen oder
allegorischen Neigungen des Menschen, der zeichnerische Naturalismus,
die Leistung des einzelnen Individuums und die gemeinsame Arbeit
Vieler. Man sieht schon aus dieser Aufzählung, wie schwer sich die ein-
zelnen massgebenden Einwirkungen von einander scheiden lassen und
wie die eine in die andere übergeht. Eine strenge philosophische Ein-
theilung wird man von einem Künstler kaum verlangen, das, was er uns
hier gibt, hat mehr praktischen als theoretischen Werth; die philo-
sophische Ästhetik mag daraus entnehmen, was sie für ihre Zwecke
brauchen kann.

Manche Gedanken, die Crane schon in seinen früheren Werken
ausgesprochen hat, finden wir in seinem neuen Buche näher ausge-
 
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