8 Vollbildern (Preis M. 1 "50 die Lieferung). Aus den bis jetzt vorliegenden
ergibt sich, dass das Werk in guter Form und vielversprechend
begonnen hat. Erfreulich ist, dass nicht die Leute mit grossen Titeln
und der allerhöchsten Herkunft, sondern wirklich die Fürsten des
Geistes, die Männer des Könnens und Wissens versammelt werden.
Die Gefahr des Byzantinismus war nicht ausgeschlossen; erfreulich ist
ferner, dass nicht nur Gelehrte und Künstler, sondern auch die Männer
der grossen technischen Thaten gebührend beachtet werden.
Die einzelnen Lieferungen enthalten neben den auf Tafeln
gegebenen Einzelbildnissen noch kleinere Abbildungen im Text. Die
Wiedergabe erfolgt durch Zinkotypie, und die Autotypien sind fast
durchgängig gut ausgefallen. Vielleicht hatte es die Wirkung noch
erhöht, wenn auch andere Verlahren herangezogen worden wären, wie
denn z.B. das Magnus'schePorträt, besonders aber dieReproductionen von
Schabkunstblättern, Radirungen und Lithographien sicherlich zum Theil
im Lichtdruck mehr von derOriginalwirkung behalten hätten. Vermutblich
hat auch der Herausgeber den Gedanken erwogen, statt Autotypien
z. B. Heliogravüren zu geben, doch lasst sich annehmen, dass geschäft-
liche Gründe das verhindert haben. Es wurde allerdings der Preis des
Werkes wesentlich sich erhöht und der so wünschenswerthen Populari-
sirung dadurch geschadet sein.
Die biographischen Ausführungen des Textes sind gut und gehen
meist über den blossen »Text zur Illustration« hinaus. So der von
Hermann Grimm verfasste, in seinem bekannten prägnanten Stil ge-
haltene kleine Aufsatz über die Gebrüder Grimm oder Leopold Schmidts
Musikerbiographien, Julius Harts Dichterschilderungen, der anregende
Aufsatz von Bölsche über die Humboldts, von Griesebach über Schopen-
hauer, die alle gut und populär gehalten sind, ohne seicht zu sein. Über
die bildenden Künstler referiren H. A. Schmid, Fritz Knapp, Lier und
andere. Im Einzelnen sei hiezu bemerkt, dass in dem Aufsatze über
Gottfried Schadow die Berührungspunkte zwischen Goethes und
Schadows Kunstanschauungen wohl etwas scharfer dahin pracisirt
werden konnten, dass Schadows Meinungen keineswegs mit denen
Goethes harmonisirten. Abgesehen von der spateren Zeit werden erstere
uns heutigen vielfach als richtiger und bedeutender erscheinen als die
Goethes. Zum Rethel-Aufsatz wäre neben einigen anderen Kleinigkeiten
zu bemerken, dass nicht Retliels Braut, sondern seine junge Frau eine
schwere Krankheit durchzumachen hatte und zu dem gegebenen Rethei-
porträt zu notiren, dass es als Vergrüsserung nach einer in Rom angö-
fertigten Photographie von Carl Sohn gezeichnet ist.
Am werthvollsten sind diejenigen Hefte und Aufsätze, in denen
nicht nur ein Porträt, sondern eine Folge von Portrats derselben Persön-
lichkeit gegeben ist. Mustergiltig scheint darin z. B. das Beethovenheft,
zu dessen Text Frimmel noch eine besondere Abhandlung über
Beethovenportrats beigesteuert hat. Es wäre wünschenswerth, wenn in
diesem mehr erschöpfenden Sinne, soweit das eben angängig, die ein-
zelnen Hefte gestaltet wurden, derart, dass sie ein in verschiedener
Hinsicht wissenschaftlich werthvolles abschliessendes Material be-
schafften.
Betrachtet man somit die Publication als das, was sie sein soll,
ein populäres, aber gehaltvolles und dabei im Verhältnis zum Preis auch
in den Reproductionen gutes und werthvolles Unternehmen, so wird
man es mit vollem Beifall begrüssen dürfen.
Juni 1898. M Seh.
Neue Holzschnitte von William Nicholson.
1. An Almanach of twelve Sports. By William
Nicholson. Words by Rudyard Kipling. Published by
William Heinemann. London 1898.
2. An Alphabet, published by William Heinemann.
London 1898.
William Nicholsons Kunst ist die eines echten Holzschnitt-
meisters. Sie ist straff, sparsam und knapp, mit Humor das
Charakteristische festhaltend. Dabei ist sie gesund national und voll
englischer Kraft. Das Wesen der modernen Buchillustratiun geht immer
Aus An Alphabet«. Von W, Nicholson.
mehr nach dem Ziele, mit den einfachsten Mitteln das Wesentliche,
nur dieses, hervorzuheben ; so entfernt sie sich meilenweit von der bisher
geübten Illustrationsmethode. Sie wird künstlerischer und wendet die
Ausdrucksmittel der graphischen Originalkünste an.
Wenn sich die Illustration von vorgestern und gestern Mühe gab,
eine genaue und reinliche Übertragung des Wortes in das Bild herzu-
stellen, und diesen Eselbrückenstandpunkt für den einzig richtigen
hielt, so hat die Illustration von heute tieferes und stärkeres Verlangen.
Sie will der Phantasie mehr Raum lassen, sie schafft unmittelbarer aus
den Eindrücken, die das Wort in der Seele des Zeichners traumhaft
und leise hervorruft. Ein classisches Beispiel ist hier Klingers Brahms-
Phantasie.
Der englische Holzschnitt steht auf stolzer künstlerischer Höhe.
Seine Concentration ist bewundernswerth. Es ist schwer, das Einfachste
so zu geben, dass es das Meiste sagt. Neben Walter Crane und der von
ihm beeinfiussten Gruppe (Anning Bell u. A.), neben den melan-
cholischen Satiriker Aubrey Beardsley, neben den prächtigen schweren
Frederik Sandys, neben den Amerikaner Gibson tritt William Nicholson
als ausgeprägte künstlerische Persönlichkeit. Die innere Oekonomie und
Concentration seiner Schnitte entzücken durch ihre Eigenart und ihren
selbstbewussten Stil. Sein »Alphabet« strotzt von gesundem englischem
Humor, so der prachtvolle Ausrufer mit den Figuren des »Alphabet«,
von diesen dann die Typ enFlowei -Girl, Huntersrnan,Sportsman, Milkmaid,
Yokel u. a. Breite grosse schwarze Flächen legt Nicholson an, ohne jede
Differenzirung der verschiedenen Schattenpartien; skrupellos lässt er
den Schlagschatten mit der betreffenden unbeleuchteten Partie ver-
schmelzen, die den Schlagschatten erzeugt. Man möchte es mit
Silhouettenwirkung vergleichen. Nur die allemothwendigsten Einzel-
heiten sind in die belichteten Partien eingetragen. Eine derartige
Behandlung hat als nothwendige, unentbehrliche Voraussetzung eine
auf gründlichstem Studium beruhende Naturkenntnis. Sonst würde diese
Treffsicherheit, die z. B. die Bewegungen haben, nicht erreicht. Esistwohl
mit das Verdienst der Japaner, diese Treffsicherheit und — ich möchte
sagen — Beseelung der Linie, die wir auch an Forain oder Steinlen
bewundern. In der Landschaft ist Nicholson ein Meister in der Beschrän-
ergibt sich, dass das Werk in guter Form und vielversprechend
begonnen hat. Erfreulich ist, dass nicht die Leute mit grossen Titeln
und der allerhöchsten Herkunft, sondern wirklich die Fürsten des
Geistes, die Männer des Könnens und Wissens versammelt werden.
Die Gefahr des Byzantinismus war nicht ausgeschlossen; erfreulich ist
ferner, dass nicht nur Gelehrte und Künstler, sondern auch die Männer
der grossen technischen Thaten gebührend beachtet werden.
Die einzelnen Lieferungen enthalten neben den auf Tafeln
gegebenen Einzelbildnissen noch kleinere Abbildungen im Text. Die
Wiedergabe erfolgt durch Zinkotypie, und die Autotypien sind fast
durchgängig gut ausgefallen. Vielleicht hatte es die Wirkung noch
erhöht, wenn auch andere Verlahren herangezogen worden wären, wie
denn z.B. das Magnus'schePorträt, besonders aber dieReproductionen von
Schabkunstblättern, Radirungen und Lithographien sicherlich zum Theil
im Lichtdruck mehr von derOriginalwirkung behalten hätten. Vermutblich
hat auch der Herausgeber den Gedanken erwogen, statt Autotypien
z. B. Heliogravüren zu geben, doch lasst sich annehmen, dass geschäft-
liche Gründe das verhindert haben. Es wurde allerdings der Preis des
Werkes wesentlich sich erhöht und der so wünschenswerthen Populari-
sirung dadurch geschadet sein.
Die biographischen Ausführungen des Textes sind gut und gehen
meist über den blossen »Text zur Illustration« hinaus. So der von
Hermann Grimm verfasste, in seinem bekannten prägnanten Stil ge-
haltene kleine Aufsatz über die Gebrüder Grimm oder Leopold Schmidts
Musikerbiographien, Julius Harts Dichterschilderungen, der anregende
Aufsatz von Bölsche über die Humboldts, von Griesebach über Schopen-
hauer, die alle gut und populär gehalten sind, ohne seicht zu sein. Über
die bildenden Künstler referiren H. A. Schmid, Fritz Knapp, Lier und
andere. Im Einzelnen sei hiezu bemerkt, dass in dem Aufsatze über
Gottfried Schadow die Berührungspunkte zwischen Goethes und
Schadows Kunstanschauungen wohl etwas scharfer dahin pracisirt
werden konnten, dass Schadows Meinungen keineswegs mit denen
Goethes harmonisirten. Abgesehen von der spateren Zeit werden erstere
uns heutigen vielfach als richtiger und bedeutender erscheinen als die
Goethes. Zum Rethel-Aufsatz wäre neben einigen anderen Kleinigkeiten
zu bemerken, dass nicht Retliels Braut, sondern seine junge Frau eine
schwere Krankheit durchzumachen hatte und zu dem gegebenen Rethei-
porträt zu notiren, dass es als Vergrüsserung nach einer in Rom angö-
fertigten Photographie von Carl Sohn gezeichnet ist.
Am werthvollsten sind diejenigen Hefte und Aufsätze, in denen
nicht nur ein Porträt, sondern eine Folge von Portrats derselben Persön-
lichkeit gegeben ist. Mustergiltig scheint darin z. B. das Beethovenheft,
zu dessen Text Frimmel noch eine besondere Abhandlung über
Beethovenportrats beigesteuert hat. Es wäre wünschenswerth, wenn in
diesem mehr erschöpfenden Sinne, soweit das eben angängig, die ein-
zelnen Hefte gestaltet wurden, derart, dass sie ein in verschiedener
Hinsicht wissenschaftlich werthvolles abschliessendes Material be-
schafften.
Betrachtet man somit die Publication als das, was sie sein soll,
ein populäres, aber gehaltvolles und dabei im Verhältnis zum Preis auch
in den Reproductionen gutes und werthvolles Unternehmen, so wird
man es mit vollem Beifall begrüssen dürfen.
Juni 1898. M Seh.
Neue Holzschnitte von William Nicholson.
1. An Almanach of twelve Sports. By William
Nicholson. Words by Rudyard Kipling. Published by
William Heinemann. London 1898.
2. An Alphabet, published by William Heinemann.
London 1898.
William Nicholsons Kunst ist die eines echten Holzschnitt-
meisters. Sie ist straff, sparsam und knapp, mit Humor das
Charakteristische festhaltend. Dabei ist sie gesund national und voll
englischer Kraft. Das Wesen der modernen Buchillustratiun geht immer
Aus An Alphabet«. Von W, Nicholson.
mehr nach dem Ziele, mit den einfachsten Mitteln das Wesentliche,
nur dieses, hervorzuheben ; so entfernt sie sich meilenweit von der bisher
geübten Illustrationsmethode. Sie wird künstlerischer und wendet die
Ausdrucksmittel der graphischen Originalkünste an.
Wenn sich die Illustration von vorgestern und gestern Mühe gab,
eine genaue und reinliche Übertragung des Wortes in das Bild herzu-
stellen, und diesen Eselbrückenstandpunkt für den einzig richtigen
hielt, so hat die Illustration von heute tieferes und stärkeres Verlangen.
Sie will der Phantasie mehr Raum lassen, sie schafft unmittelbarer aus
den Eindrücken, die das Wort in der Seele des Zeichners traumhaft
und leise hervorruft. Ein classisches Beispiel ist hier Klingers Brahms-
Phantasie.
Der englische Holzschnitt steht auf stolzer künstlerischer Höhe.
Seine Concentration ist bewundernswerth. Es ist schwer, das Einfachste
so zu geben, dass es das Meiste sagt. Neben Walter Crane und der von
ihm beeinfiussten Gruppe (Anning Bell u. A.), neben den melan-
cholischen Satiriker Aubrey Beardsley, neben den prächtigen schweren
Frederik Sandys, neben den Amerikaner Gibson tritt William Nicholson
als ausgeprägte künstlerische Persönlichkeit. Die innere Oekonomie und
Concentration seiner Schnitte entzücken durch ihre Eigenart und ihren
selbstbewussten Stil. Sein »Alphabet« strotzt von gesundem englischem
Humor, so der prachtvolle Ausrufer mit den Figuren des »Alphabet«,
von diesen dann die Typ enFlowei -Girl, Huntersrnan,Sportsman, Milkmaid,
Yokel u. a. Breite grosse schwarze Flächen legt Nicholson an, ohne jede
Differenzirung der verschiedenen Schattenpartien; skrupellos lässt er
den Schlagschatten mit der betreffenden unbeleuchteten Partie ver-
schmelzen, die den Schlagschatten erzeugt. Man möchte es mit
Silhouettenwirkung vergleichen. Nur die allemothwendigsten Einzel-
heiten sind in die belichteten Partien eingetragen. Eine derartige
Behandlung hat als nothwendige, unentbehrliche Voraussetzung eine
auf gründlichstem Studium beruhende Naturkenntnis. Sonst würde diese
Treffsicherheit, die z. B. die Bewegungen haben, nicht erreicht. Esistwohl
mit das Verdienst der Japaner, diese Treffsicherheit und — ich möchte
sagen — Beseelung der Linie, die wir auch an Forain oder Steinlen
bewundern. In der Landschaft ist Nicholson ein Meister in der Beschrän-